KV-Führung alarmiert

Saarlands KV-Vorstand erwägt, Notdienst „übers Portemonnaie“ zu steuern

Die neue KV-Spitze sieht die hausärztliche Versorgung vor nie dagewesenen Herausforderungen: Die Arztzahlen sinken, die der Arztkontakte steigt. Diskutiert werden auch Instrumente der Patientensteuerung im Notdienst – etwa durch eine Eigenbeteiligung.

Andreas KindelVon Andreas Kindel Veröffentlicht:
Ziehen eine erste Zwischenbilanz nach Amtsantritt: Saarlands KV-Vorstandsvize Thomas Rehlinger (li) und Vorstandschef Professor Harry Derouet.

Ziehen eine erste Zwischenbilanz nach Amtsantritt: Saarlands KV-Vorstandsvize Thomas Rehlinger (li) und Vorstandschef Professor Harry Derouet.

© KV Saarland

Saarbücken. Die neue KV-Spitze im Saarland will jetzt mit einer groß angelegten Bestandsaufnahme die Stimmung bei den mehr als 2.000 Haus-, Fachärzten und Psychotherapeuten an der Saar ermitteln. Die Umfrage soll in rund einem Monat gestartet werden.

„Wir wollen wissen, wo wir eigentlich stehen und wie zufrieden die Vertragsärzte sind“, sagte der neue saarländische KV-Vorsitzende Professor Harry Derouet in einem Gespräch mit der Ärzte Zeitung in Saarbrücken. Der Urologe Derouet hat sein neues Amt zusammen mit seinem Stellvertreter, dem Hausarzt Thomas Rehlinger, zu Jahresbeginn angetreten.

Schon dieser Tage erreichte die Praxen eine Kurz-Umfrage der KV zum Thema Terminvergabe. Im zweiten Quartal will die KV ermitteln, wie viele Termine von den Patienten in den Praxen gar nicht wahrgenommen und wie häufig die Termine nicht mal abgesagt werden.

Zahl niedergelassener Hausärzte um 5,5 Prozent gesunken

Hintergrund für die Aktivität der KV ist die dramatische Arztzahlentwicklung an der Saar. Die Zahl der niedergelassenen Hausärzte ist seit Oktober 2020 um 5,5 Prozent auf zuletzt 481 gesunken. Auch die Zahl der in Praxen angestellten Hausärzte sank, und zwar um 2,3 Prozent auf 129. Ähnlich – wenn auch nicht so deutlich – ist die Entwicklung bei den Fachärzten. Dagegen hat sich die Zahl der in Medizinischen Versorgungszentren angestellten Hausärzte im Saarland auf 48 mehr als verdoppelt. Auch bei den Fachärzten gibt es inzwischen deutlich mehr Mediziner, die in MVZ angestellt sind.

„Es wird immer unattraktiver, eine Praxis selbst zu gründen oder zu übernehmen“, heißt es in einem aktuellen Lagebericht der KV Saar. „Immer mehr Mediziner wünschen sich ein Angestellten-Verhältnis“. Ein Grund sei möglicherweise, dass inzwischen zwei Drittel des Mediziner-Nachwuchses Frauen seien, die auch ausreichend Zeit für die Familie haben wollen.

„Da kommt eine Riesenwelle auf uns zu“

Große Sorgen bereitet der KV-Spitze zusätzlich die Überalterung der Ärzteschaft an der Saar. „Bei den Hausärzten arbeiten wir schon jetzt mit über 20 Prozent Rentnern“, berichtete KV-Vize Rehlinger. Bei den Haus- und Kinderärzten gehörten 20,7 Prozent zur Altersgruppe „65 plus“, bei den Fachärzten seien es 15,4 Prozent, bei den Psychotherapeuten 18 Prozent.

„Da kommt eine Riesenwelle auf uns zu“, so KV-Chef Derouet. „Das wird dramatisch werden“. Viele Vertragsärzte fänden für ihre Praxen inzwischen keine Nachfolger mehr. Aktuell seien im Saarland 66 Hausarzt-Sitze unbesetzt. „Allzu lange können wir dem Versorgungsauftrag nicht mehr nachkommen“, so Derouet, „weil einfach die Leute fehlen“.

Um den Arztberuf wieder attraktiver zu machen, muss nach seiner Ansicht die Budgetierung abgeschafft und der Notdienst reformiert werden. „Es würde schon helfen, wenn die Ärzte den Notdienst nicht mehr machen müssten“, so Derouet. Eine Idee: Ein zentraler Notdienst, an dem sich Praxen beteiligen können, aber nicht mehr müssen.

Jeder dritte Patient hat zwei Hausärzte

Um die Ärzte zu entlasten, sieht Derouet vor allem einen aussichtsreichen Weg: die Reduzierung überflüssiger Arzt-Besuche. Im Saarland habe es ein Patient auf rekordverdächtige 52 Arzt-Besuche pro Quartal geschafft – darunter Besuche bei sieben verschiedenen Kardiologen. Jeder dritte Patient habe außerdem inzwischen mindestens zwei Hausärzte.

Reduzieren wollen Derouet und Rehlinger die Zahl der Arztbesuche und damit auch überflüssige Diagnostik „übers Portemonnaie“. Sie können sich zum Beispiel – ähnlich wie die KV Rheinland-Pfalz – vorstellen, für die Behandlung im Notdienst Geld zu verlangen. Der Facharzt Derouet kann sich sogar mit einer Steuerung über ein Primärarzt-Modell anfreunden. Bedingung sei aber, dass es dafür auch ausreichend Hausärzte gebe, die die Steuerung übernehmen.

Bundespolitisch will die neue KV-Führung an der Saar den Kurs des alten Vorstands fortsetzen und weiter in der „Freien Allianz der Länder-KVen“ (FALK) mitarbeiten, die sich für mehr Einfluss der Länder starkmacht. „Wir sehen die Mitarbeit als eine Bereicherung“, so KV-Vize Rehlinger. Als kleine KV könne man gemeinsam außerdem mehr bewirken, als wenn man allein kämpfe.

Wahlstreit in der KV scheint beigelegt

Der große Wahlstreit vom vergangenen Herbst scheint an der Saar außerdem beigelegt. Damals war Saar-Hausärztechef Dr. Michael Kulas bei der Wahl zum hausärztlichen KV-Vorstand durchgefallen und anschließend sein Stellvertreter Rehlinger die in KV-Führung gewählt worden. „Es funktioniert super-gut“, so Rehlinger. „Ich bereue es noch keinen Tag, diese Entscheidung getroffen zu haben“. Neben seinem neuen Job an KV-Vize erarbeitet er auch weiter in Teilzeit in seiner bisherigen Landarztpraxis im Nord-Saarland.

„Es klappt gut“, pflichtet auch KV-Chef Derouet bei. Er hat sich außerdem ein großes Ziel gesetzt: „Mein Ziel ist es, dass wir in sechs Jahren keine Budgetierung mehr haben.“

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