Akuter Ärztemangel
Sachsen-Anhalt: KV und Kammer fordern Kraftakt für die ambulante Versorgung
Das Land bräuchte pro Jahr etwa 440 neue Ärzte, bildet aber nur 370 aus. Und von denen haben zwei Jahre nach Studienabschluss die meisten Sachsen-Anhalt verlassen, monieren Kammer und KV.
Veröffentlicht:Magdeburg. Fast jede zweite Praxis in Sachsen-Anhalt sucht aktuell einen Arzt oder Nachfolger. In den nächsten fünf Jahren gehen voraussichtlich über 1.000 Ärzte in den Ruhestand.
„Wir haben andere Probleme als die Freigabe von Cannabis. Und unsere Probleme sind ernst. Sie betreffen alle“, so Kammerpräsident Professor Uwe Ebmeyer während einer gemeinsamen Pressekonferenz von Ärztekammer und Kassenärztlicher Vereinigung Sachsen-Anhalt anlässlich eines Parlamentarischen Abends am Mittwoch. Bereits heute bestehe ein akuter Hausärztemangel im Altmarkkreis Salzwedel. Fünf weiteren Kreisen drohe die Unterversorgung. In der Fläche fehlten zudem Nerven- und Augenärzte sowie Kinder- und Jugendpsychiater.
Viele Ärzte sind über 60 und der Teilzeitanteil steigt
Etwa ein Drittel der Ärzte sind 60 Jahre und älter. Zudem steige der Anteil an Teilzeitbeschäftigten. Der Kammerpräsident rechnet vor, dass Sachsen-Anhalt jedes Jahr zwischen 420 bis 440 neue Ärzte bräuchte. Beide medizinische Fakultäten hätten aber zusammen nur 370 Absolventen im Jahr. Hinzu komme, dass zwei Jahre nach dem Medizinstudium nur noch gut 40 Prozent der Absolventen in Sachsen-Anhalt arbeiten.
Kampf gegen den Ärztemangel
Ärztekammer: Mehr Sachsen-Anhalter sollten im Land Medizin studieren
Ein Schritt in die richtige Richtung sei deshalb die Landarztquote, über die jährlich 25 Landeskinder einen Medizinstudienplatz (6,3 Prozent) erhalten. Voraussetzung ist die Verpflichtung, zehn Jahre nach der Facharztweiterbildung in Sachsen-Anhalt zu arbeiten. Die Politik müsse auch hier nachbessern und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen. Ebmeyer und Böhme fordern einen gemeinsamen Kraftakt zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung.
Stetig neue Forderungen an die Ärzte dagegen seien kontraproduktiv. So widerspreche das Ansinnen von Herrn Lauterbach, Notaufnahmen in Kliniken eine mit Ärzten besetzte Triagesprechstunde vorzuschalten, völlig der Realität. „Wo sollen die qualifizierten Ärzte herkommen“, fragt der Kammerpräsident. Er stimme zu, dass es eine bessere Lenkung und Steuerung für Akut- und Notfallpatienten geben muss. Die Frage sei, wie Patienten besonders vom platten Land, dorthin kommen, wo sie adäquat versorgt werden.
Viele Probleme, kaum Lösungen
„Wir stehen wie Rufer im Wald“, sagt KVSA-Chef Dr. Jörg Böhme resigniert. Die Medizin werde immer ambulanter, Arbeitsbelastungen stiegen, Patienten beschwerten sich über lange Wartezeiten. „Was sollen wir tun?“, fragt der KV-Vorstand. „Wir können und wollen Ärzte, die jeden Tag am Limit arbeiten, nicht unter Druck setzen.“ Der KV-Chef fordert eine Entbudgetierung ärztlicher Leistungen sowie eine angemessene Honorierung. Stattdessen drohe die Politik mit Beschneidungen. Beispiel: digitale Anwendungen. Funktionierten die in den Praxen nicht, drohe ein Malus von bis zu 2,5 Prozent. Böhme: „Es sollte eher honoriert werden, wenn Praxen digital auf der Höhe der Zeit sind.“ (zie)