Nach Dokumentationsprojekt in Baden-Württemberg
Sozialminister Manne Lucha entschuldigt sich für Kinderleid in Heimen
Kinder und Jugendliche in Behindertenheimen und in der Psychiatrie in Baden-Württemberg wurden jahrzehntelang misshandelt. Der Sozialminister Manne Lucha bittet dafür um Entschuldigung.
Veröffentlicht:Stuttgart. In baden-württembergischen Behinderteneinrichtungen und Psychiatrien sind in den Jahrzehnten nach dem Krieg zahllose Kinder und Jugendliche gequält, geschlagen und falsch behandelt worden. Sie seien zwischen 1949 und 1975 weniger Opfer des Systems, sondern der gesellschaftlichen Zustände geworden, sagte Gerald Maier, Präsident des Landesarchivs, zum Abschluss eines Dokumentationsprojekts. Sozialminister Manne Lucha (Grüne) bat Betroffene im Namen der Landesregierung um Entschuldigung für „unfassbares Leid und Unrecht“.
Auch im Südwesten habe es massive Missstände gegeben, sagte der Grünen-Minister. Sie zeigten, dass Kinder und Jugendliche stärker beteiligt und ihre Ängste und Sorgen ernst genommen werden müssten. „Dies gilt vor allem dann, wenn sich Kinder und Jugendliche in Abhängigkeit befinden und verstärkt auf Fürsorge und Unterstützung der Erwachsenen angewiesen sind“, sagte Lucha.
Im Rahmen des „Dokumentationsprojekts Zwangsunterbringung“ hatte das Landesarchiv Baden-Württemberg drei Jahre lang recherchiert, wie Menschen in ihrer Kindheit zwischen 1949 und 1975 in Heimen der Behindertenhilfe und in Psychiatrien untergebracht waren. „Der Blick in die Akten zeigt, dass die Kinder auf ihre – angeblichen – Defizite reduziert wurden“, sagte Nora Wohlfahrt vom Landesarchiv. Die Förderung sei oft nicht angemessen gewesen, es sei missbraucht und falsch behandelt worden, das Klagen der jungen Menschen sei übergangen worden. Gehörlosen Menschen verbot man zum Beispiel das Gebärden und legte den Schwerpunkt teils mit körperlicher Gewalt auf das Vermitteln der Lautsprache, wie Wohlfahrt beschrieb.
Nach ihren Angaben wurden knapp 190 Betroffene befragt, die Nachweise oder Akten im Landesarchiv suchten. Die Dunkelziffer der Zeitzeugen sei aber sehr groß, sagte sie. (dpa)