Baden-Württemberg

Studie zeigt massive Zunahme von psychischen Problemen bei Mädchen im Südwesten

Tausende Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg werden Jahr für Jahr wegen Depressionen und Essstörungen behandelt. Auffällig ist, dass es die letzten Jahre immer mehr Mädchen betrifft.

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Depressionen und Essstörungen verbreiten sich aktuell immer weiter unter Mädchen und jungen Frauen im Südwesten. Das führt auch zu mehr Krankenhausbehandlungen – bei diesen Indikationen.

Depressionen und Essstörungen verbreiten sich aktuell immer weiter unter Mädchen und jungen Frauen im Südwesten. Das führt auch zu mehr Krankenhausbehandlungen – bei diesen Indikationen.

© DimaBerlin / stock.adobe.com

Stuttgart. Schwere Ängste, Depressionen und Essstörungen infolge von Krisen haben vor allem bei jungen Frauen deutlich zugenommen. So wurden im vergangenen Jahr fast 70 Prozent mehr Mädchen zwischen 15 und 17 Jahren mit einer Depression in Kliniken versorgt als im Vor-Corona-Jahr 2019, wie eine Sonderanalyse zur stationären Behandlung psychischer Erkrankungen im neuen Kinder- und Jugendreport der DAK-Gesundheit für Baden-Württemberg zeigt.

„Die massive Zunahme von schweren Ängsten und Depressionen bei Mädchen ist ein stiller Hilfeschrei, der uns wachrütteln muss“, sagt Siegfried Euerle, Landeschef der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg.

Sozialminister Manne Lucha (Grüne) sagt, ihm sei die Entwicklung bekannt. „Wir stehen als Land zu unserer Verantwortung und lassen die Kinder, Jugendlichen und ihre Familien mit den psychischen Folgen der Pandemie nicht allein.“ Auch die Kassen seien hier in der Pflicht. Laut dem Sozialministerium werden aktuell 799 Betten und 426 Plätze in der Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) angeboten. Es gibt 25 Krankenhäuser, die KJP anbieten.

Sozialministerium setzt Task Force ein

Um den überlasteten Kinder- und Jugendpsychiatrien die Planung zu erleichtern und belasteten jüngeren Menschen zu helfen, hatte das Land das Angebot in den Kliniken langfristig aufgestockt. Die nur für zwei Jahre garantierte Finanzierung von 136 zusätzlichen stationären Behandlungsplätzen in den Psychiatrien wurde im Frühjahr entfristet. Im Jahr 2021 hatte das Sozialministerium zudem eine Task Force zur psychischen Situation von Kindern und Jugendlichen infolge der Corona-Pandemie eingesetzt.

Hochgerechnet auf alle Jugendlichen in der Altersgruppe zwischen 15 bis 17 Jahren kamen im vergangenen Jahr laut Studie rund 2200 Mädchen mit der Diagnose Depression ins Krankenhaus. Im Jahr 2019 waren es noch 1350 gewesen. Auch bei Angststörungen und Essstörungen nahmen die Krankenhausbehandlungen jugendlicher Mädchen zu: So stieg die Zahl der Klinikaufenthalte 2022 im Vergleich zu 2019 bei Angststörungen um 46 Prozent an, bei Essstörungen nahmen die Behandlungszahlen um 33 Prozent zu.

Jürgensen: „Mental-Health-Pandemie“

Jan Steffen Jürgensen, Vorstandschef des Klinikums Stuttgart, spricht von einer Mental-Health-Pandemie. „Folgen der Corona-Infektionen, Sorge vor Erkrankung, aber auch die einschneidenden Beschränkungen in der Pandemie haben vor allem ohnehin besonders gefährdete Gruppen hart getroffen: Hochbetagte, Vorerkrankte, sozial Benachteiligte und leider auch sehr deutlich Kinder und Jugendliche, die neben Angststörungen auch häufiger an Essstörungen erkrankten.“

Mädchen neigten eher zu Depressionen und Ängsten, erklärt der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach. Hingegen zeigten Jungen tendenziell häufiger ein Verhalten, das nach außen gerichtet sei, also zum Beispiel aggressive Verhaltensmuster. Dies sei durch die Pandemiesituation noch einmal verstärkt worden. Depressionen, Angst- und Essstörungen seien häufig in stationärer Behandlung, während die Verhaltens- und emotionalen Störungen im ambulanten Bereich versorgt würden.

Insgesamt weniger Behandlungen in Kliniken nötig

Als weitere Entwicklung führt die Untersuchung an, dass im Jahr 2022 insgesamt weniger Kinder und Jugendliche mit psychischen oder Verhaltensstörungen in Kliniken behandelt wurden als vor der Corona-Pandemie. Damit liegt Baden-Württemberg im Bundestrend.

Jürgensen warnt aber davor, dies als gute Nachricht zu werten. Während der Pandemie seien Bettenkapazitäten reduziert und akute COVID-Fälle vorrangig behandelt worden. „Das führte auch dazu, dass vorrangig schwerere Fälle stationär behandelt worden sind, während andere verzögert diagnostiziert und verspätet therapiert werden konnten. Vor diesem Hintergrund ist der Anstieg von Angststörungen, Essstörungen und Depressionen als noch dramatischer zu bewerten.“

Für die aktuelle DAK-Sonderanalyse im Rahmen des Kinder- und Jugendreports untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld Abrechnungsdaten von rund 89.000 Kindern und Jugendlichen bis einschließlich 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit in Baden-Württemberg versichert sind. Analysiert wurden Krankenhausdaten aus den Jahren 2018 bis 2022. Es ist die erste umfassende Analyse von Klinikbehandlungen für das vergangene Jahr. Insgesamt sind bei der DAK in Baden-Württemberg rund 630 000 Menschen versichert. (dpa)

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