Grüne in Hessen zur Delegation ärztlicher Aufgaben
„Wir wollen den Ärzten nichts wegnehmen“
Mit Versorgungsverbünden, mehr Delegation und kleinräumigerer Bedarfsplanung wollen hessische Gesundheitspolitiker das Land zukunftsfit machen. Dabei scheinen Ideen aus der Bundesebene durch.
Veröffentlicht:Frankfurt/Main. Rund eineinhalb Jahre Corona-Pandemie haben es gezeigt: Die ambulanten Strukturen sind ein wichtiger Baustein in der Versorgung und können flexibler in Krisensituationen reagieren. Es gelte daher, sie zu erhalten und weiter auszubauen, stellte Yanki Pürsün, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP im hessischen Landtag am Dienstag bei einem digitalen Runden Tisch der Landesärztekammer klar.
Vor allem die Allgemeinmedizin haben er und seine Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Landtagsparteien dabei im Sinn. Doch allein mit Förderprogrammen für die Niederlassung – insbesondere in Einzelpraxis – funktioniert das nicht, berichtete Dr. Ralf-Norbert Bartelt, gesundheitspolitischer Sprecher der hessischen CDU. „Hier müssen auch Versorgungszentren gefördert werden“, sagte er. Das beinhaltet für Bartelt eine „gewünschte Zusammenarbeit“ mit Kliniken. „Wir haben nicht nur in ländlichen Regionen, sondern auch teilweise in sozial schwächeren Vierteln in Großstädten eine Mangelversorgung“, ergänzte er.
Eigene Regionalbudgets
Bündnis 90/Die Grünen wollen mögliche Versorgungsverbünde daher noch weiter stricken. Die Partei wirbt im Bundeswahlkampf mit Gesundheitsregionen. „Unser Ziel ist die bestmögliche Versorgung von der Diagnostik bis zur Reha“, erläuterte deren gesundheitspolitischer Sprecher in Hessen, Marcus Bocklet. Die Idee ist nicht neu, ein gutes Beispiel ist etwa das Projekt Gesundes Kinzigtal. Im Verbund und mit eigenem Regionalbudget solle Versorgung nach den Bedürfnissen vor Ort gestaltet werden, so Bocklet. Grundlage soll nach dem Plan der Grünen ein weiterentwickelter Paragraf 140a SGB V sein.
Ein Baustein solcher Gesundheitsregionen ist für Bocklet aber ebenso eine stärkere Delegation einfacher ärztlicher Aufgaben, wie etwa der Wundversorgung an eine MFA oder Gemeindeschwester. „Wir wollen den Ärzten nichts wegnehmen“, machte er deutlich. „Wir hören aber so oft, dass Ärzte überlastet sind.“
Hausarzt als erster Ansprechpartner
Die Gesundheitsregionen haben aber noch ein Ziel: Sie sollen helfen, die Sektorenschranken endlich abzubauen. Hier sieht auch Dr. Daniela Sommer von der hessischen SPD Handlungsbedarf. „Wir brauchen ein Case-Management, um den Patienten zu steuern, damit er in dem Versorgungsbereich ankommt, in den er wirklich gehört.“ Der Hausarzt bleibe dabei erster Ansprechpartner. „Deshalb müssen wir uns anstrengen, mehr Ärzte aufs Land zu bekommen.“ Auch deshalb setze sich die SPD für eine kleinräumigere Bedarfsplanung ein.Ob die niedergelassenen Ärzte nach der Bundestagswahl mit einer zügigen Umsetzung der novellierten GOÄ – so wie sie jetzt geplant ist – rechnen können, ist zumindest bei einer Regierungsbeteiligung der SPD fraglich. Sommer plädierte für eine gute, bedarfsgerechte Vergütung der Ärzte, meinte aber zugleich, dass man sich die GOÄ noch einmal genauer unter dem Aspekt einer solidarisch gestalteten Gesundheitsversorgung ansehen müsse. Es dürfe nicht sein, dass in reichen Regionen niedergelassene Ärzte mit einem Anteil von 20 Prozent an Privatversicherten, 50 Prozent ihres Praxisumsatzes generierten. Auch die oft negierte Zweiklassenmedizin gebe es sehr wohl, zeigte sie sich überzeugt. Ein wichtiger Punkt im Wahlprogramm der SPD ist und bleibt daher die Bürgerversicherung.
Wer hat eine Prämie verdient?
Kritik mussten sich die Politiker am Dienstag an der Ausgestaltung der Corona-Prämie gefallen lassen. Warum werde diese nicht auch für die Ärzte, die in der Pandemie viel leisten, ausgeschüttet, lautete der Vorwurf. Die Landesregierung habe die Prämie mit der Pflege einer besonders belasteten Berufsgruppe zukommen lassen wollen, sagte Bocklet. „Das heißt nicht, dass die Ärzte keine tolle Arbeit machen.“ Die finanziellen Mittel seien aber begrenzt. „Ich bitte hier um Augenmaß und Verständnis“, warb Bocklet bei den Ärzten, „mir fielen viele weitere Gruppen ein, denen ich gerne eine Prämie zahlen würde, aber es geht nicht.“
Ein Lob gab es vom Präsidenten der Landesärztekammer Hessen, Dr. Edgar Pinkowski, dann doch: Die Zusammenarbeit mit dem Sozialministerium in der Pandemie habe gut geklappt. Auch wenn die Ärzteschaft nicht mit allem, was vom Landtag beschlossen wurde, immer glücklich und einverstanden war. „Ich würde sagen, der hessische Gesundheitsminister hat es genauso gut und genauso schlecht gemacht, wie die Gesundheitsminister der anderen Länder“, sagte sein Parteikollege Bocklet. Es habe aber auch keine Blaupause für die Krise gegeben.