Meilenstein der Medizingeschichte
100 Jahre Insulin – Ausstellung in Kiel mit einem Blick in die Zukunft
Ausstellung über 100 Jahre Insulin und Aufklärung über die Gefahren des Diabetes. In der Kieler Innenstadt wird zur Zeit beides miteinander verbunden.
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Die Kieler Bloggerin Lea Raak berichtete zum Auftakt der Wanderausstellung „Leben mit Diabetes – 100 Jahre Entdeckung von Insulin“ über ihre persönlichen Erfahrungen.
© Dirk Schnack
Kiel. „Heimweh“ lautete die ärztliche Diagnose für die 17-jährige Lea Raak, als sie 2011 als Austauschschülerin in den USA war. Sie litt unter Schwindel, verstärktem Harndrang und Gewichtsverlust. Die besorgten Eltern beorderten sie vorsichtshalber ins nächste Flugzeug und brachten sie nach ihrer Ankunft umgehend in das Universitätsklinikum in Lübeck.
Dort erfuhr Lea, dass sie Typ-1-Diabetikerin ist. Heute studiert Lea in Kiel und hat längst gelernt, mit ihrer Erkrankung zu leben. Wie das geht, schildert sie in ihrem Blog (www.insulea.de), mit dem sie andere Betroffene motivieren und sich mit ihnen austauschen möchte. Ziel: Gemeinsam Hindernisse überwinden.
Lea Raak berichtete auch zur Ausstellungseröffnung der multimedialen Wanderausstellung über 100 Jahre Insulin, die bis 22. Februar in der Kieler Innenstadt zu sehen ist, über ihr Leben mit Diabetes.
Optimaler Ort um ins Gespräch zu kommen
Kiel ist die fünfte Stadt in Deutschland, in der die Ausstellung Halt macht. Wenn alles klappt, wird sie mit einer Finissage im Landeshaus beendet, wo die frühere Landtagsabgeordnete Jutta Schümann mit Politkern ins Gespräch kommen möchte zum Thema.
Schümann ist Vorsitzende des Vereins Landesgesundheitsprojekte und hat die Ausstellung gemeinsam mit dem Unternehmen Novo Nordisk nach Kiel gebracht, wo der in Schleswig niedergelassene Diabetologe Dr. Carsten Petersen zur Eröffnung einige Meilensteine in der 100jährigen Geschichte des Insulins erläuterte.
Die Ausstellung ist in einem Pavillon mitten in der Innenstadt zu sehen – für Schümann ein „optimaler Rahmen, um der Kieler Bevölkerung die Erkrankung Diabetes nahe zu bringen und gleichzeitig über Risikofaktoren und Vorsorgemöglichkeiten zu informieren“. Denn eines der Hauptprobleme ist aus ihrer Sicht noch immer ein Informationsdefizit in der Bevölkerung.
Dieses Informationsdefizit hat Folgen. Petersen betonte in diesem Zusammenhang die hohe Dunkelziffer – bis zu drei Millionen Deutsche, so lauten Schätzungen, ahnen nicht, dass sie Diabetes haben. Raak nannte ein weiteres: Für viele Menschen ist die Erkrankung ein Tabu, andere haben Vorurteile.
Forschungserfolge steigern Lebensqualität
Die Ausstellung zeigt den eindrucksvollen medizinischen Fortschritt in der Diabetesbehandlung. Es begann mit der Entdeckung des Insulins im Jahr 1921, ein Jahr später kann der erste Patient mit Insulin behandelt werden. 1923 wird in Skandinavien mit der Insulinproduktion begonnen.
Seit den 1960er Jahren unterscheidet man zwischen Diabetes Typ-1 und Typ-2, in den 1970ern wird der HbA1c-Wert zur Blutzuckerkontrolle eingeführt, In der 1980ern kommen die ersten tragfähigen Mini-Insulinpumpen auf den Markt.
Die 1990er Jahre bringen das erste Insulinanalogon und das erste praktikable System zur kontinuierlichen Glukoseüberwachung (CGM). Diese und weitere Verbesserungen haben dazu geführt, dass Patientinnen wie Lea Raak heute das Gefühl haben, ein Leben wie andere Gleichaltrige führen zu können.
App für besseren Lebensstil
So positiv das ist, bleiben neben der nicht erfüllten Hoffnung auf Heilung weitere Probleme. Eines davon ist der Lebensstil mit falscher Ernährung und wenig Aktivität. Hier will Schümanns Verein ansetzen und in Kiel und anderen Städten dafür werben, dass sie der Bevölkerung ein aktiveres Leben ermöglichen. Auch eine speziell auf junge Kieler zugeschnittene App möchte sie realisieren und sucht dafür Unterstützung.
Ein anderes Problem sieht Petersen durch die Pandemie noch verstärkt: Das nicht immer erfolgreiche Bemühen, Menschen für den Umgang mit der Erkrankung zu schulen, ihnen Selbstverantwortung und Selbstbestimmung deutlich zu machen.Lea Raak, deren Erkrankung in einem anderen Land nicht erkannt wurde, weitet den Blick über die Grenzen. „In der Diabetestherapie sind wir in Deutschland privilegiert.“
Aus vielen anderen Ländern hört sie von einer deutlich schlechteren Diabetes-Versorgung. Das könnte sich ändern, wenn es weitere medizinische Fortschritte gibt. Auch damit beschäftigt sich die Ausstellung. Die Frage „Was kommt als Nächstes?“ macht sie Mut, dass die Entwicklung weiter geht.
Infos zur Ausstellung: hundertjahreinsulin.de/wanderausstellung