Nachts zu Hause, tagsüber im Hospiz

Caritas betritt mit Tageshospiz Neuland

Bislang konnten Sterbenskranke nur zwischen Unterbringung im Hospiz oder häuslicher Pflege wählen. Jetzt wird beides möglich. Im Südwesten berichtet die Caritas über erste Erfahrungen mit einem Tageshospiz.

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Die Mitarbeiterinnen Jane Kagermann, Petra Waßmer und Katja Rothe stehen im neu eröffneten Tageshospiz St. Vincent des Caritasverbandes hinter ihren ersten beiden Gästen, für die das Angebot eine wichtige Einrichtung in ihrer außergewöhnlichen Situation darstellt. Bislang konnten Sterbenskranke nur zwischen Unterbringung im Hospiz oder häuslicher Pflege wählen. Im Tageshospitz lässt sich beides kombinieren.

Die Mitarbeiterinnen Jane Kagermann, Petra Waßmer und Katja Rothe stehen im neu eröffneten Tageshospiz St. Vincent des Caritasverbandes hinter ihren ersten beiden Gästen, für die das Angebot eine wichtige Einrichtung in ihrer außergewöhnlichen Situation darstellt. Bislang konnten Sterbenskranke nur zwischen Unterbringung im Hospiz oder häuslicher Pflege wählen. Im Tageshospitz lässt sich beides kombinieren.

© .Dieter Leder / dpa

Ilvesheim/Stuttgart. „Es geht mir gut, hier geht es mir gut“, sagt eine ältere Dame. Sie ist nicht beim Friseur oder im Café, sondern in einem Hospiz in Ilvesheim (Rhein-Neckar-Kreis) – ihre Tage oder Monate sind gezählt. Die Seniorin und ein Mann im Rollstuhl sind die ersten Gäste in diesem ganz besonderen Hospiz: Die beiden kommen morgens und werden abends wieder abgeholt; so können sie in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Dieses sogenannte Tageshospiz erweitert das Hilfenetzwerk für sterbenskranke Menschen im Südwesten.

Eine Frau ist im Tageshospiz St. Vincent der Caritas in Ilvesheim zu Gast: „Hier komme ich zur Ruhe und hier bekomme ich Unterstützung, damit es mir besser geht“, erklärt sie.

Eine Frau ist im Tageshospiz St. Vincent der Caritas in Ilvesheim zu Gast: „Hier komme ich zur Ruhe und hier bekomme ich Unterstützung, damit es mir besser geht“, erklärt sie.

© .Dieter Leder / dpa

„Tagsüber verbringen die unheilbar kranken Menschen dort ihre Zeit, werden palliativmedizinisch und psychosozial betreut und unterstützt, bis sie abends wieder nach Hause gehen“, erläutert die Leiterin des von der Caritas getragenen Hospizes, Petra Waßmer. Die kranke Seniorin schwärmt von dem Konzept: „Das ist eine ganz wichtige Einrichtung.“ Sie fügt hinzu: „Hier komme ich zur Ruhe und erhalte Unterstützung, damit es mir besser geht.“

Angehörige werden entlastet

Neben der Linderung von Schmerzen und der psychischen Versorgung der Gäste ist die Entlastung der Angehörigen ein wichtiger Aspekt. Diese seien häufig physisch und psychisch stark beansprucht, einige könnten Beruf und Pflege nur schwer vereinbaren, sagt Waßmer.

Es gebe auch viele alleinstehende Betroffene, die ein Tageshospiz vor Einsamkeit schützen kann. Waßmer: „Es geht darum, wieder Gemeinschaft zu spüren und etwas zu erleben. Im Tageshospiz gibt es Angebote, die mit allen Sinnen neu erfahren werden können.“ Die maximal acht Gäste im Tageshospiz St. Vincent können etwa Musik-, Atem- und Aromatherapie wahrnehmen. Finanziert wird der Aufenthalt von der Krankenkasse.

Lebensmut in der letzten Lebensphase

Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa hatte kürzlich gefordert: „Wir brauchen neben stationären Hospizen neue Modelle und Ideen für Lebensräume in der letzten Lebensphase, die den Lebensmut der Sterbenskranken und ihrer Angehörigen stärken.“ Sie verwies auf Großbritannien, wo es seit Mitte der 1990er-Jahre Tageshospize gibt.

Inzwischen gehörten rund 200 davon zur gängigen Versorgung von Sterbenden. Damit Tageshospize ein fester Bestandteil der Versorgung in Deutschland werden, müssten Standards und Qualitätskriterien etwa für Angebote entwickelt werden, so Welskop-Deffaa.

Richtwert 50 Hospiz-Plätze auf eine Million Einwohner

Baden-Württemberg ist laut Sozialministerium bei der Versorgung Todkranker gut aufgestellt. Es gibt derzeit 39 stationäre Hospize mit 332 Betten und 40 in Krankenhäusern angesiedelte Palliativstationen. Der Richtwert von 50 solcher Plätze pro eine Million Einwohner werde damit übertroffen, teilte das Ministerium unter Berufung auf Empfehlungen des Deutschen Hospiz-und Palliativverbandes (dhpv) mit.

Auch wenn man andere Richtwerte zugrunde lege, stehe der Südwesten gut da: Die Hospizbewegung empfehle ein Hospizbett auf 45.000 bis 55.000 Einwohner. Das entspreche 200 bis 250 Betten - „mit 332 Betten liegen wir deutlich darüber“, sagt ein Ministeriumssprecher in Stuttgart.

Förderung vom Land

Das Land fördere die Palliativ-und Hospizversorgung seit mehr als 20 Jahren. So würden 40 Prozent der Gebühren für Kurse übernommen, in denen sich etwa bei ambulanten Pflegediensten arbeitende Menschen entsprechend fortbilden. Auch Trauerbegleitung sowie neue Hospizplätze würden gefördert. „Für jeden neu geschaffenen Hospizplatz gibt es bis zu 10.000 Euro“, hieß es. Auf diese Weise seien bereits 53 neue Plätze unterstützt worden.

Beeinflusst der Fachkräftemangel in der Pflege die Situation der Hospize? Erst Anfang Dezember war deswegen das stationäre Hospiz St. Martin in Stuttgart vorübergehend geschlossen worden. Das jedoch hält der dhpv für einen Einzelfall. „Von so etwas habe ich zuvor noch nie gehört“, sagt eine Sprecherin des Verbandes mit Sitz in Berlin.

Bessere Bedingungen für die Pflege

Meist drängten die – wenigen – Fachkräfte wegen der besseren Arbeitsbedingungen und des höheren Personalschlüssels sogar eher in Richtung Hospiz. „Die Pflegekräfte haben dort genug Zeit, sich den Menschen zu widmen“, erklärt die Sprecherin. Die personelle Situation dort sei in keiner Weise vergleichbar mit der in Krankenhäusern.

In Zukunft könnte das Problem des Fachkräftemangels mit Sicherheit aber auch zum Thema für die Hospize werden – „nur eben nicht zuallererst“, sagt sie. Mitarbeiter für die 1,5 Stellen im Ilvesheimer Tageshospiz waren leicht gefunden, vor allem weil ihnen dort kein Schichtdienst abverlangt wird.

Die meisten Sterbenskranken jedenfalls wollen am liebsten zu Hause bleiben oder auch im Hospiz ihre letzten Tage verbringen – „und sterben dann doch im Krankenhaus oder Pflegeheim“, sagt die dhbv-Sprecherin weiter. Für die häusliche Betreuung bieten sich laut dhbv Palliativteams an, die regelmäßig zu den Todkranken fahren und sie dort betreuen. In Baden-Württemberg kümmern sich darum rund 44 der sogenannten Speziellen Ambulanten Palliativen Versorgung-Teams (SAPV). (dpa)

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