Sammeln auf Provision

Das Geschäft mit den Spenden

Spendensammeln war lang eine Domäne der Ehrenamtlichen. Wer sich gemeinnützig engagierte, ging oft mit Spendendose und Infozetteln auf die Suche nach Unterstützern. Doch längst haben sich die Sammler professionalisiert. Viele arbeiten auf Provisionsbasis.

Von Felix Frieler Veröffentlicht:
Der Geschäftsführer des Startups "Elefunds", Tim Wellmanns (r) und der technische Leiter des Startups, Christian Peters.

Der Geschäftsführer des Startups "Elefunds", Tim Wellmanns (r) und der technische Leiter des Startups, Christian Peters.

© Rainer Jensen / dpa

BERLIN. "Hallo, Sie haben doch bestimmt ein Herz für Senioren, oder?" Die junge Frau mit dem Nasenring lächelt aufmunternd und schiebt sich dabei einem bärtigen Mann in den Weg, der eigentlich an ihr vorbei in ein Einkaufszentrum im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg will.

Mit dem Hilfsprojekt, für das sie wirbt, hat sie selbst eigentlich gar nichts zu tun. Die Frau arbeitet für eine Agentur, die im Auftrag Spenden sammelt - oder vielmehr Unterschriften. Auf einem Tablet-Computer, den sie bei sich trägt, sollen mögliche Spender direkt für eine regelmäßige Zahlung per Lastschrift unterschreiben.

Verzichten kann auf die professionellen Sammler im Kampf um Spendengelder heute fast keine Hilfsorganisation mehr. Etwa 130 Unternehmen und Dienstleister gibt es nach einer Schätzung des Deutschen Fundraising Verbandes (DFRV) auf dem Fundraisingmarkt hierzulande, ein kleiner Teil davon bietet auch das sogenannte Face-to-Face-Marketing an.

Zahlen zu Umsatz und Gewinn der Anbieter hat der Verband nach eigenen Angaben nicht. In den Referenzen der Dienstleister tauchen Organisationen wie Amnesty International, die Welthungerhilfe, Caritas oder das Deutsche Rote Kreuz auf.

"Wir haben verschiedene Agenturen mit am Start", sagt Jörn Ehlers vom WWF. Bei den Naturschützern seien es selten die Mitglieder, die auf der Straße Geld sammeln. "Die Spendensammler in den Fußgängerzonen versuchen ja, langfristige Spender zu gewinnen - und die sind besonders wichtig für uns. Mit dem Geld können wir planen."

Um das Niveau der Spenden zu halten, müsse der WWF großen Aufwand treiben, erklärt Ehlers. "Es ist ein ziemlich umkämpfter Markt, aber der Spendenkuchen bleibt weitgehend gleich groß."

Beim deutschen WWF kamen im vergangenen Geschäftsjahr bis zu fünf Prozent der rund 60 Millionen Euro Spendeneinnahmen über professionelle Sammler rein. Das entspricht pro Jahr etwa drei Millionen Euro. Die Abrechnung zwischen Agentur und WWF ist eine Mischung aus fester Vergütung und Provision. Die Höhe der Provision richte sich nach Faktoren wie Spendenhöhe oder Alter des Spenders, heißt es vom WWF.

Daniela Felser, Geschäftsführerin beim Deutschen Spendenrat, hat grundsätzlich nichts gegen Provisionen beim Spendensammeln einzuwenden - wenn sich das nicht zu stark auf das Auftreten der Sammler auswirkt.

"Es ist ein Spagat zwischen Leistungsanreiz durch Provisionszahlungen und ethisch-moralischen Grundsätzen beim Spendeneinwerben", sagt Felser. Vergütungsmodelle auf Provisionsbasis bringen Spendensammler manchmal dazu, auch Druck auf die Spender auszuüben - "und das geht natürlich überhaupt nicht."

Gute Spendensammler müssen gutes Geld verdienen

Und wie viel verdient der einzelne Spendensammler? "Nach den Grundsätzen unseres Branchenverbandes muss mindestens die Hälfte der Vergütung für die Spendensammler ein fester Betrag sein, nicht provisionsabhängig", erklärt Arne Peper vom Fundraisingverband. "Man kann davon ausgehen, dass der Wert des künftigen Mindestlohns erreicht wird."

Der liegt bei 8,50 Euro pro Stunde. Allerdings ließen sich beim Thema Lohn auch nicht alle Mitgliedsunternehmen in die Karten schauen.

Aus Sicht von Tim Wellmanns führt kaum ein Weg daran vorbei, dass die Charity-Organisationen das Spendensammeln an externe Dienstleister auslagern. Er ist Geschäftsführer beim Berliner Startup Elefunds, die unter anderem ein System anbieten, mit dem Onlineshops ihre Kunden beim Einkaufen zum "Aufrunden" für den guten Zweck motivieren können.

Ein Kunde kann freiwillig eine Spende auf seinen Rechnungsbetrag drauflegen. "Wir sind platziert wie der Schokoriegelständer vor der Supermarktkasse - mit dem Unterschied, dass man sich bei uns nicht für einen Schokoriegel, sondern zum Beispiel für den WWF, die Welthungerhilfe oder die SOS-Kinderdörfer entscheidet", sagt Wellmanns.

Geld verdiene Elefunds mit seinem Kerngeschäft bislang unterm Strich nicht - die Gründer hätten aber nichts dagegen, wenn sich das ändert. "Gute Spendensammler müssen auch gutes Geld verdienen", fordert der 32-Jährige. Nur wer motiviert sei und fair bezahlt werde, könne auch sein Bestes für die gute Sache geben.

Wellmanns: "Es muss auch bei den Spendern ein Umdenken geben: Es können nicht hundert Prozent von einer Spende bei den Empfängern ankommen. Aber wir können helfen, die Kosten gering zu halten, wenn sich die Organisationen auf das konzentrieren, was sie am besten können - und beim Fundraising machen eben wir unseren Job."

Die Spendensammlerin mit dem Nasenring hat inzwischen eine junge Frau gestoppt. Der Mann mit Bart dagegen hat die Drehtür ins Einkaufszentrum passiert. Und, hat er etwas gespendet? "Nein, das ging mir alles ein bisschen zu schnell", sagt er. "Ich will erst in Ruhe etwas lesen, bevor ich etwas gebe. Aber ich sollte direkt auf ihrem Computer unterschreiben."

Es sei ohnehin alles viel komplizierter als ihm die Frau die Probleme der Senioren geschildert habe. "Man müsste eigentlich die ganze Welt ändern, aber da hat unsere Jugend offenbar keine Lust dazu. Stattdessen stehen sie hier und wollen meine Unterschrift." (dpa)

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