150 Tote
Germanwings-Airbus stürzt in französischen Alpen ab
Schock und Entsetzen: Flug Nummer 4U 9525 wird nie landen. Mit 150 Menschen an Bord ist der Germanwings-Airbus auf dem Weg nach Düsseldorf in den Alpen abgestürzt. Die schreckliche Einschätzung der französischen Regierung: "Es gibt keine Überlebenden."
Veröffentlicht:PARIS/DÜSSELDORF. Bei einem der schwersten Abstürze in der deutschen Luftfahrtgeschichte sind in Südfrankreich wahrscheinlich alle 150 Menschen an Bord ums Leben gekommen. Darunter waren ersten Angaben zufolge auch 67 Deutsche.
Eine Maschine vom Typ Airbus A320 der Lufthansa-Tochter Germanwings auf dem Weg nach Düsseldorf stürzte am Dienstagvormittag nahe des Ortes Digne in den französischen Alpen in schwer zugänglichem Gebiet ab.
Bilder zeigen unzählige Trümmerteile in einer kargen Felslandschaft. "Es gibt keinen Überlebenden", zitierte die Zeitung "Le Figaro" den französischen Verkehrsstaatssekretär Alain Vidalies.
Flugschreiber soll Aufschluss über Absturzursache geben
Die Ursache des Absturzes ist völlig offen. Aufschluss über die Ursache des Unglücks erhoffen sich die Ermittler von einem Flugschreiber, der nach Angaben des französischen Innenministers Bernard Cazeneuve gefunden wurde. Mit der Auswertung des Flugschreibers solle noch am Abend begonnen werden.
An Bord waren laut Germanwings insgesamt 144 Passagiere und 6 Besatzungsmitglieder. Germanwings-Chef Thomas Winkelmann sprach von 67 deutschen Staatsbürger an Bord.
Die Bundesregierung dagegen hatte zunächst keine genauen Erkenntnisse über die Zahl der deutschen Todesopfer. Im Auswärtigen Amt hieß es am Nachmittag, die Identifizierung der Opfer in dem schwer zugänglichen Gebiet werde vermutlich längere Zeit dauern.
Zu den Opfern zählen auch 16 Schüler und 2 Lehrer eines Gymnasiums im westfälischen Haltern. Sie waren auf dem Rückweg von einem Austausch in der Nähe von Barcelona, wie NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann sagte. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck äußerten sich tief erschüttert.
Bei dem Absturz rund 100 Kilometer nordwestlich von Nizza wurde die Maschine völlig zerstört.
"Ich habe keinen Zweifel, dass das Flugzeug gegen die Felswand geprallt ist", zitierte die Zeitung "La Provence" einen Augenzeugen, der Trümmer von einem Gebirgspass aus gesehen habe. Die Wucht des Aufpralls mache wenig Hoffnung auf Überlebende, sagte Innenministers Bernard Cazeneuve.
"Entsetzliche Bilder in dieser Berglandschaft. Es bleibt nichts außer Trümmern und Körpern", twitterte Christophe Castaner, Abgeordneter der Region Alpes-de-Haute-Provence, der die Unfallstelle überflogen hatte.
Am späten Nachmittag waren über Hunderte Einsatzkräfte und rund ein Dutzend Hubschrauber und Militärflugzeuge an der Unglücksstelle nahe des kleinen Ortes Prads-Haute-Bléone im Einsatz, wie "Le Monde" berichtete. Eine Sporthalle des Bergortes Seyne-les-Alpes wurde nach einem TV-Bericht für die Aufbahrung von Opfern eingerichtet.
Keine Hinweise auf Terror-Anschlag
Deutschen Sicherheitsbehörden zufolge gibt es keinen Hinweis auf einen terroristischen Anschlag. Auch das Weiße Haus geht von einem Unfall aus: "Es gibt derzeit keine Anzeichen für einen Zusammenhang mit Terrorismus", sagte eine Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrats der Deutschen Presse-Agentur in Washington.
Kanzlerin Merkel zeigte sich tief betroffen: "Der Absturz der deutschen Maschine mit über 140 Menschen an Bord ist ein Schock, der uns in Deutschland - und der Franzosen und Spanier - in tiefe Trauer stürzt", sagte die Bundeskanzlerin.
Sie betonte, es gebe noch nicht viele Informationen über die Ursache des Absturzes: "Jetzt ist die Stunde, in der wir alle große Trauer empfinden." Das Ausmaß des Leides sei unermesslich.
Merkel wollte am Mittwoch zur Absturzstelle reisen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verkehrsminister Alexander Dobrindt kamen am späten Dienstagnachmittag in Marseille an und sollten von dort zur Absturzstelle weiterreisen.
Bundespräsident Joachim Gauck sagte angesichts der Katastrophe seine Südamerikareise ab: "Ich bin weit weg von Ihnen kilometermäßig und ganz nah bei Ihnen mit meinen Gefühlen und meiner Trauer", sagte er. Die Bundesregierung und das Luftfahrtbundesamt richteten Krisenstäbe ein.
Am Flughafen Düsseldorf löste die Nachricht vom Absturz Schock, Entsetzen und Trauer aus. An der VIP-Lounge, die der Flughafen für Angehörige und Seelsorger zur Verfügung stellte, kamen Angehörige mit völlig verweinten Augen an. Von einem "rabenschwarzen Tag für den Flugverkehr" sprach Airport-Sprecher Thomas Kötter.
Achtminütiger Sinkflug
Vor dem Unglück war die Maschine nach Angaben von Germanwings in einem achtminütigen Sinkflug. Der Leiter des Flugbetriebs bei Germanwings, Stefan-Kenan Scheib, sagte, es habe dazu keine Kommunikation gegeben.
Die Besatzung der abgestürzten Maschine setzte nach Behördenangaben keinen Notruf ab. Das berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf die für zivile Luftfahrt zuständige Stelle DGAC.
Deswegen habe die Flugsicherung beschlossen, einen Notfall für das Flugzeug auszurufen. Es habe keinen Kontakt mehr zwischen Crew und Bodenkontrolle gegeben. In ersten Berichten war von einem Notsignal die Rede gewesen.
Die Ursache für den Absturz dürfte erst in einigen Wochen geklärt sein, wie Luftfahrt-Analyst Thomas Saquer von der Unternehmensberatung Frost & Sullivan sagte. Die Maschine scheine schnell an Höhe verloren zu haben, sagte Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt dem Sender N-TV.
Die Auswertung von Radardaten zeige, dass es "vielleicht" ein technisches Problem gegeben habe. "Was das aber im Einzelnen ist, da gibt es überhaupt keinen Hinweis." Meteorologen zufolge herrschte in der Region zum Absturzzeitpunkt gutes Wetter.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagte: "Wir sind in Gedanken bei denen, die heute Menschen, die sie lieben, verloren haben." Laut der Datenbank der privaten Flight Safety Foundation hatte Lufthansa neun Flugzeugunfälle mit zusammen 157 Todesopfern zu beklagen - bis zum Dienstag.
Germanwings betonte, das abgestürzte Flugzeug sei mit aktuellster Computertechnik ausgestattet gewesen. Ein Technik-Problem, wie es kürzlich bei einer Lufthansa-Maschine aus derselben Airbus-Familie bekanntgeworden war, sei daher bei dem Unglücksflieger nicht zu erwarten, sagte der Leiter des Flugbetriebs, Stefan-Kenan Scheib.
Maschine war mehr als 24 Jahre alt
In Haltern wurde das Joseph-König-Gymnasium, wo 18 der Unglücksopfer zur Schule gingen und arbeiteten, am Mittag geschlossen. In der Schule wurde ein Krisenstab gebildet, Polizei und Feuerwehr fuhren vor. Notfallseelsorger waren im Einsatz, Schüler legten Blumen nieder.
Bis zu diesem Dienstag habe es einen einwöchigen Gegenbesuch von Schülern der 10. Klasse in der Nähe von Barcelona gegeben, erklärte die Schule im Internet.
"Das ist eine Austauschreise eines Spanischkurses, die jetzt auf dem Rückflug waren, nachdem sie wahrscheinlich eine schöne Zeit in Spanien hatten", sagte Schulministerin Löhrmann. "Das ist ganz tragisch, das ist ganz traurig, und das macht fassungslos."
Unter den Opfern sind nach Angaben der Madrider Regierung auch viele Spanier. Auf der Passagierliste des Flugzeugs stünden 45 Reisende mit spanischen Nachnamen. Das spanische Königspaar Felipe VI. und Letizia sagte seinen gerade begonnenen Staatsbesuch in Frankreich ab.
Französische Kommentatoren sprachen vom schwersten Flugunglück in Frankreich seit dem Concorde-Absturz am 25. Juli 2000.
Auf dem Air-France-Flug 4590 war das Überschallflugzeug damals kurz nach dem Start vom Flughafen Paris-Charles de Gaulle abgestürzt, wobei alle 109 Insassen sowie vier Menschen am Boden ums Leben kamen.
Der Airbus A320 ist das erfolgreichste Airbus-Modell. Von dem Mittelstrecken-Jet sind weltweit fast 3700 Maschinen im Einsatz. Die jetzt abgestürzte Airbus-Maschine war mehr als 24 Jahre alt.
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