Dopingvorwürfe

Lance Armstrong gibt auf - "Hexenjagd"

Die Karriere des Lance Armstrong ist am 23. August 2012 zum zweiten Mal zu Ende gegangen. Der Rekordsieger der Tour de France hat den Kampf gegen die ständigen Dopingvorwürfe satt. Er will sich nicht mehr wehren. Nun droht ihm die Aberkennung aller sieben Tour-Titel.

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WASHINGTON/BERLIN (dpa). Lance Armstrong hat nach einem jahrelangen Kampf gegen Dopingbeschuldigungen aufgegeben und sich in die Rolle des zu Unrecht Verfolgten verabschiedet. Der 40 Jahre alte Radstar aus den USA will sich gegen die Vorwürfe nicht mehr zu Wehr setzen. Nun droht ihm die Aberkennung seiner sieben Titel bei der Tour de France zwischen 1999 bis 2005.

"Es kommt ein Punkt im Leben jedes Menschen, an dem er sagen muss 'genug ist genug.‘ Für mich ist dieser Punkt jetzt gekommen", erklärte Armstrong in einem ausführlichen schriftlichen Statement auf seiner Homepage und schrieb von einer "Hexenjagd" durch den Chef der amerikanischen Anti-Doping-Agentur USADA, Travis Tygart.

Kein Doping- oder Schuldeingeständnis

Ein Dopinggeständnis legte Armstrong in seiner Mitteilung aber nicht ab. Ganz im Gegenteil. "Ich weiß, wer siebenmal die Tour gewonnen hat, meine Teamkollegen und alle, gegen die ich gefahren bin, wissen, wer die Tour siebenmal gewonnen hat", betonte der US-Amerikaner. "Es gab keine Abkürzungen, es gab keine speziellen Behandlungen. Dieselben Strecken, dieselben Regeln", schrieb Armstrong.

Bei seinen Erfolgen 2000, 2001 und 2003 hatte er die ebenfalls gestürzte deutsche Radsport-Ikone Jan Ullrich jeweils auf Platz zwei verwiesen. Ob Ullrich nun nachträglich zum Sieger in diesen Jahren aufsteigen kann, blieb zunächst fraglich.

Niemand könne an seinen Tour-Erfolgen etwas ändern, meinte Armstrong. "Vor allem nicht Travis Tygart."

Dessen Behörde, die USADA, will Armstrong lebenslang sperren. Das könnte der Hobby-Triathlet wohl noch verkraften, will er sich doch nun mit aller Kraft seiner Krebs-Stiftung widmen. Nur die Aberkennung der Tour-Siege würde auch Armstrong schwer treffen. Was bliebe, wäre nicht mehr der erfolgreichste Tour-Starter, sondern der größtmögliche Skandal der großen Schleife.

Für ihn, für die Verbände wie auch den Internationalen Radsportverband UCI, die Tour selbst und last not least den in Doping-Dauerschlagzeilen stehenden Radsport selbst.

"Trauriger Tag für alle von uns"

"Das ist ein trauriger Tag für alle von uns, die den Sport und unsere Athleten-Helden lieben", teilte Tygart in einem Schreiben der USADA in einer ersten Reaktion mit. Der USADA-Chef legte aber auch noch einmal nach.

"Das ist ein Herzen brechendes Beispiel, wie diese Gewinnen-um-jeden-Preis-Kultur im Sport, wenn sie nicht mehr kontrolliert wird, von fairem, sicherem und ehrlichem Wettkampf Besitz ergreift", sagte Tygart.

Armstrong sieht sich hingegen als Opfer. Das gesamte Verfahren habe einen "zu hohen Preis» von ihm und seiner Familie gefordert, begründete Armstrong seinen Entschluss, sich nicht mehr länger damit zu beschäftigen. Wenn er eine Chance gesehen hätte, in einer fairen Umgebung die Vorwürfe widerlegen zu können, hätte er "die Chance wahrgenommen".

"Aber ich weigere mich, in einem einseitigen und unfairen Prozess mitzumachen." Wie die schweren Vorwürfe nun aufgearbeitet werden können, ist vorerst offen.

Legende bröckelte bereits seit 2004

Die Legende des Radsportlers, der eine Hodenkrebserkrankung besiegte und nicht mal drei Jahre später zum ersten Mal die schwerste Radrundfahrt der Welt gewann, bröckelte schon ganz lange. Bereits im Juli 2004 erhoben zwei Journalisten schwere Dopingvorwürfe.

Armstrongs einstige Teamkollegen und Edelhelfer Floyd Landis und Tyler Hamilton schlossen sich den Anschuldigungen 2010 und 2011 an. "Ich sah EPO in seinem Kühlschrank. Ich sah mehr als einmal, wie er es sich gespritzt hat", sagte Hamilton einmal dem TV-Sender CBS.

Dem Zeitfahr-Spezialisten war erst jüngst sein Olympiasieg von 2004 endgültig aberkannt worden, Landis verlor ebenfalls wegen Dopings nachträglich seinen Tour-Sieg von 2006.

Anfang dieser Woche hatte Armstrong eine weitere Niederlage im Ringen mit der USADA hinnehmen müssen. Ein Richter in seiner Heimatstadt Austin wies die Klage des Ex-Radprofis am Montag ab, der die USADA bei ihren Ermittlungen gegen sich blockieren wollte.

Durch diesen Beschluss war Armstrong die Möglichkeit genommen worden, eine Schiedsgerichts-Verhandlung zu verhindern, bei der er offiziell als Doper gebrandmarkt werden könnte. "Heute schließe ich diese Seite. Ich werde dieses Thema nicht mehr ansprechen, unabhängig von den Umständen", schrieb Armstrong. Auch ein Ausweg.

Die Doping-Jäger werfen Armstrong jahrelanges Doping und Handel mit illegalen Substanzen vor. Er soll Teil einer regelrechten "Doping-Verschwörung" gewesen sein.

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Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 25.08.201221:04 Uhr

Doping-Opfer

Der große Lance Armstrong hätte ohne sein Radsport-Talent und die langjährige Trainings- und Wettkampfhärte nicht siebenmal die Tour-der-Leiden, das wichtigste Etappen-Straßen-Radrennen des Jahres gewinnen können.
Daß auch ihm Doping-Quacksalber alles mögliche eingeredet und verkauft haben, scheint erwiesen zu sein. Augenscheinlich hat er all diese Experimente abgelehnt oder schadlos überstanden.
Überhaupt nicht bewiesen, sondern eher unwahrscheinlich ist, daß er "le grande boucle" nur wegen Epo-Mißbrauch und Eigenblut-Zufuhr so oft gewonnen haben soll.
Nein, Lance hat jetzt nur eines aufgegeben: Die "Hexenjagd" auf seine Person mit den unendlich langen Rechtsstreitigkeiten seiner teuren US-Anwälte! Derer ist er aus verständlichen Gründen müde und überdrüssig geworden. Er hat sich schließlich mit 40 Jahren auch noch um seine Familie und die Krebsstiftung zu kümmern.
Sein mehrjähriger Tour-Konkurrent, unser herausragender Jan Ullrich, hat sich als wahrer Sportsmann erwiesen, in dem er sofort die aberwitzigen und unehrenhaften Spekulationen über mögliche "Nachrücker-Tour-Siege" eindeutig abgelehnt hat.
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt aus Rostock

Dr. Florian Baier 24.08.201221:51 Uhr

Meineid = Knast ?

Der springende Punkt für Armstrongs gerade noch rechtzeitiges Abbiegen war wahrscheinlich die drohende strafrechtliche zusätzlich zur bereits laufenden sportgerichtlichen Verhandlung.
Vor dem Sportgericht kann ein Athlet jahrelang leugnen und bekommt beim Gegenbeweis maximal eine Sperre (z.b. in Deutschland). In den USA hätte ihm hingegen bei Überführung nach Leugnung eine Meineidsklage gedroht. Aus diesem Grunde haben bereits mehrere amerikanische Radsportler präventiv gestanden. (Siehe den Artikel von heute in der Welt).

Zusatz Radsport: 1994 Beginn der EPO-Doping-Ära
2000 Nachweis EPO u. Beginn Fremdblutdoping
2004 Nachweis Fremdblutdoping u. Beginn Eigenblutdoping
Ergo: wer zwischen 1994 und 2004 an einer der großen mehrtägigen Rundfahrten unter den ersten 10 sein wollte kam ums Doping nicht herum.
Ohne Doping konnte man nur Zeitfahren und Eintagesklassiker gewinnen.

Dr. Horst Grünwoldt 24.08.201215:15 Uhr

Doping-Jagd

Der "Anti-Doping-Kampf" scheint überall zweifelhafte Siege zu feiern.
Die Tragik und Ungerechtigkeit des ganzen ist, daß verdienstvolle Athleten, die einem Quacksalber anheim gefallen sind und möglicherweise selbst Opfer von riskanten Arzneimittel-Versuchen an Menschen wurden, zu Tätern und sogar Betrügern erklärt werden.
Dabei haben sie stets nicht "wegen", sondern "trotz" verdächtigter Manipulationen die Titel gewonnen und alleine kraft ihres Talentes und ihrer Trainings- und Wettkampfhärte als Sieger auf dem Podest gestanden, wie der große Lance Armstrong.
Wann wird der Irrsinn der Spurensuche nach sog. "verbotenen Stoffen" bei den Sportlern endlich eingestellt?
Ein redlicher "Anti-Doping-Kampf" darf sich nach m.E. lediglich gegen die Profiteure des illegalen In-Verkehr-Bringens (unerlaubter Handel) von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln richten; niemals gegen die Berufssportler selbst. Das gilt sogar für Drogen-Süchtige.
Sonst wird die Wurzel des Übels überhaupt nicht gezogen und der Bock immer wieder zum Gärtner gemacht.
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rostock

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