USA und Ebola
Missstände, Ängste, Hilflosigkeit
Eine Krankenschwester aus Dallas ist an Ebola erkrankt. Die Vereinigten Staaten reagieren mit hektischem Aktionismus.
Veröffentlicht:DALLAS. Die amerikanische Öffentlichkeit ist alarmiert: Erst stirbt der aus Liberia eingereiste Ebola-Patient - trotz intensivster Bemühungen des medizinischen Teams in Dallas.
Dann wird bekannt, dass sich eine der ihn behandelnden Krankenschwestern Ebola zugezogen hat - trotz Sicherheitsvorkehrungen und Schutzkleidung.
Selbst der Leiter der Gesundheitsbehörde CDC, Dr. Thomas Frieden, sagte nach Bekanntwerden der zweiten Erkrankung: "Wir sind zutiefst besorgt über diese neue Entwicklung".
Voreilige Schuldzuweisung
Anfänglich schien Frieden zudem der Erkrankten die Schuld zuzuweisen: Es sei zu einer Missachtung von Vorschriften gekommen, meinte er am Sonntag. Dafür hat er sich inzwischen entschuldigt, nachdem er heftig dafür kritisiert wurde, die junge Frau zum Sündenbock für ihre eigene Ansteckung gemacht zu haben.
Der zweite Ebola-Fall auf amerikanischem Boden macht eines klar: Diejenigen, die akut erkrankte Ebola-Patienten behandeln und pflegen, setzen sich einem hohen Risiko aus.
Sie müssen zum einen unbedingt darin geschult werden, sich erfolgreich selbst zu schützen, und zum anderen die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt bekommen.
Mit Blick auf beide Herausforderungen gebe es immense Defizite, sagte RoseAnn De Moro, die der größten Krankenpflegergewerkschaft National Nurses United vorsteht.
"Ich bin wütend", sagte De Moro am Sonntag laut New York Times. Sie beschuldigte die amerikanischen Krankenhäuser, nicht genug zum Schutz ihrer Angestellten zu tun, und drohte mit Streiks, wenn sich das nicht "dramatisch" ändere.
De Moros Kritik basiert auch auf einer jüngsten Mitgliederbefragung, die ergab, dass bis vor kurzem 76 Prozent der befragten Krankenpfleger keinerlei Richtlinien für die Einweisung von Ebolapatienten erhalten hatten. 85 Prozent gaben an, sie hätten keine Schulung erhalten, die es ihnen erlaubt hätte, Fragen zu stellen.
Putzkolonne im Streik
Die Alarmglocken klingeln allerorts - nicht nur in den Krankenhäusern. An den Flughäfen und in den Flugzeugen macht sich ebenfalls tiefe Sorge, mitunter auch Panik, breit. Die rund 200 Arbeiter des LaGuardia International Airports in New York, die letzte Woche kurzfristig streikten, gaben damit ihrer Furcht Ausdruck, beim Saubermachen der Flugzeuge ungenügend geschützt zu sein.
Alberto Grant, eine Reinigungskraft am John F. Kennedy International Airport, sagte zur Washington Post: "Wenn wir die Toiletten saubermachen, sind wir allem ausgesetzt (…). Oft wird uns aber nicht das Notwendige zur Verfügung gestellt, was zur Reinigung notwendig ist. Manchmal haben wir nicht mehr als Papierhandtücher zum Wischen."
Die Gewerkschaft SEIU (Service Employees International Union) bestärkte das Reinigungspersonal in seinem Protest und versprach umfassende Schulungen. "Es ist von immenser Wichtigkeit, dass sie (unsere Mitglieder) nicht erst dann mit dem notwendigen Equipment konfrontiert werden, wenn sie sich in einer Krisensituation befinden", betonte Mark Catlin von der SEIU.
Die allgemeine Alarmbereitschaft führt auch zu übertrieben scheinenden Maßnahmen in der Reisebranche: So führte zum Beispiel die Tatsache, dass ein Fluggast auf dem Weg von New York nach Los Angeles krank wurde, laut Nachrichtensender CNN dazu, dass das Flugzeug an ein abgelegenes Gate geleitet wurde.
Sämtliche Fluggäste wurden erst Stunden später in die Freiheit entlassen, nachdem ziemlich sicher war, dass die betreffende Frau nicht Ebola hatte.
Nerven liegen eher blank
Mitunter sind die besten Absichten kontraproduktiv. So muss gefragt werden, ob es wirklich der allgemeinen Beruhigung dient, wenn die Nachbarschaft der an Ebola erkrankten Pflegekraft von vermummten Reinigungskräften desinfiziert wird, obwohl sich die Frau beim ersten Anzeichen ihrer Krankheit sofort in Behandlung begab.
Solche übertriebenen Vorsichtsmaßnahmen haben eventuell eine andere Wirkung als beabsichtigt: Statt Nerven zu beruhigen, legen sie sie eher blank.
Wer sieht, wie der Rasen vor dem Haus eines Erkrankten mit Desinfektionsmitteln behandelt wird, nimmt leicht fälschlich an, dass schon der Pfad, auf dem ein Ebolapatient wandelte, kontaminiert sein könnte. Solche irrigen Annahmen erzeugen Furcht, die jederzeit in Panik umschlagen kann, wenn sich die Erkrankungsfälle häufen.
Es ist nicht zu leugnen, dass sich die Vereinigten Staaten - und nicht nur sie - auf einer delikaten Gratwanderung befinden: einerseits diejenigen zu schützen, die einem höheren Risiko ausgesetzt sind, und andererseits die Menschen zu beruhigen, deren Ansteckungsgefahr niedrig ist.