Virologin zur Bundesliga

Team- statt Einzelquarantäne bei positivem Coronavirus-Test

Die Fußball-Bundesliga ringt um die Fortsetzung der durch die Corona-Pandemie unterbrochenen Saison. Eine Virologin stellt das infrage und zieht einen Vergleich zu Schulklassen.

Von Volker Gundrum Veröffentlicht:
Bald wieder mit Spielbetrieb? Ein Blick ins leere Stadion „An der Alten Försterei“, dem Heimstadion des Fußball-Bundesligisten 1.FC Union Berlin.

Bald wieder mit Spielbetrieb? Ein Blick ins leere Stadion „An der Alten Försterei“, dem Heimstadion des Fußball-Bundesligisten 1.FC Union Berlin.

© Andreas Gora/dpa

München. Die Münchner Virologie-Professorin Ulrike Protzer kann sich mit Geisterspielen in der Fußball-Bundesliga anfreunden, ist mit den Plänen der Deutschen Fußball Liga aber nicht ganz einverstanden. „Wenn es nach einem Bundesligaspiel einen Fall gibt, dann müssen die beiden Mannschaften in die Quarantäne“, sagt die zum Expertenrat von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gehörende Wissenschaftlerin im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Nach dem DFL-Konzept sollen bei möglichen Infektionen hingegen nur die jeweiligen Spieler in die häusliche Isolation geschickt werden.

Team- statt Einzelquarantäne bei positivem Coronavirus-Test

© Sven Hoppe/dpa

Zur Person: Ulrike Protzer (57) ist Leiterin der Virologie an der Technischen Universität München und am Helmholtz Zentrum München, dem Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Die Professorin gehört zum Corona-Expertenrat von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU).

Wie geht man zum Schutz einer Bundesliga-Mannschaft vor?

Prof. Ulrike Protzer: Wie bei einer Schulklasse, deswegen benutze ich den Vergleich so gerne. Bei einer Schulklasse kann ich versuchen, die Kontakte zu minimieren, aber ich werde sie nicht zu hundert Prozent unterbinden können.

Beim Fußballspielen Kontakte zu minimieren, ist allerdings völlig unmöglich.

Protzer: Das ist absolut richtig, aber das wird man auch in der Schule nicht schaffen. Wenn der Freund die Freundin nach 14 Tagen oder vier Wochen wiedersieht, werden da die zwei Meter Abstand wahrscheinlich auch nicht gehalten. Das muss man einfach realistisch sehen. Auch da ist ein gewisses Infektionsrisiko da.

Wenn es im Fußball eine Infektion geben sollte, was dann?

Protzer: Im Fußball geht es um einen sehr begrenzten Personenkreis, den ich ganz genau nachverfolgen kann. Ich weiß genau, wer war mit wem auf dem Platz. Und wer könnte betroffen sein. Dann muss ich die Personen entsprechend kontrollieren, wie ich das auch machen würde, wenn ich eine Infektion in einer Schulklasse habe.

Die Schulklasse muss dann in Quarantäne...

Protzer: So sollte es im Fußball auch sein. Wenn es nach einem Bundesligaspiel einen Fall gibt, dann müssen die beiden Mannschaften in die Quarantäne.

Team-Quarantäne ist im DFL-Konzept nicht vorgesehen. Ist eine Fortsetzung der Bundesliga mit Geisterspielen trotzdem sinnvoll?

Protzer: Ja, ich halte das für durchaus machbar. Auch die Fußballvereine haben einen extremen Finanzdruck. Das Infektionsrisiko ist sehr gering. Es würde keine Personen treffen, die jetzt gefährdet wären, schwerer krank zu werden. Fußballspieler sind sicherlich junge, fitte Menschen, die ein geringes Erkrankungsrisiko haben. Aber klar muss sein: Wenn eine Infektion auftreten würde, muss man bereit sein, die Konsequenzen zu ziehen. Da sehe ich jetzt einen Fußballspieler nicht anders als einen Schüler, der kurz vor dem Abi steht.

Einen Tag vor dem Spiel sollen daher alle Spieler auf Covid-19 getestet werden.

Protzer: Das Infektionsrisiko kann man so nicht ausschließen. Es kann heute jemand negativ sein und 24 Stunden später trotzdem positiv. Von dem vorher Testen halte ich ehrlich gesagt nicht viel. Wenn kurz nach dem Spiel jemand Symptome bekäme und positiv getestet würde, dann müsste man ebenso in den sauren Apfel beißen, wie bei allen anderen Menschen auch. Und sagen, okay, die müssen in Quarantäne.

Was halten Sie von dem Argument der DFL, dass die Clubs nur einen verschwindend geringen Teil der Testkapazitäten nutzen.

Protzer: Ich sehe nicht, dass man spezifische Testkapazitäten für die Fußballvereine braucht.

Die Bundesligaspieler sollen im Kleinbus und nicht im Mannschaftsbus anreisen, um Abstand zu halten. Auf dem Feld geht es dann aber hart zur Sache. Ein Widerspruch?

Protzer: Man geht davon aus, dass bei einer Ansteckung für eine gewisse Zeit Kontakt bestehen muss. Wenn ich im Bus eine halbe Stunde hinfahre, dann kann ich schwerer Abstand halten als wenn ich zwei oder drei Minuten bei einem Fußballspiel engen Kontakt habe. Im Bus auf der Hinfahrt kann jemand Mund-Nasenschutz tragen. Das kann er natürlich auf dem Spielfeld nicht.

Dortmunds Trainer Lucien Favre ist mit 62 der älteste Bundesliga-Trainer in dieser Saison. Auch andere Betreuer der Teams sind über 60. Sollte diese Personengruppe bestimmte Verhaltensweisen beachten?

Protzer: Als Trainer kann man ja relativ einfach Abstand halten. Und wenn man den Abstand nicht halten kann, dann kann man Mund- und Nasenschutz tragen. Auch beim Torjubel muss man sich ja nicht in den Armen liegen.

Viele Privatmenschen warten sehnsüchtig darauf, wieder selbst Sport im Verein machen zu dürfen. Müsste man das Augenmerk statt auf den Profisport nicht mehr auf den Breitensport legen und dort die Beschränkungen aufheben?

Protzer: Man muss die Sportarten zulassen, bei denen kein großes Risiko besteht. Tennis, Reiten oder Golf sind eher unkompliziert. Aber da, wo man nah beieinander ist, im Fitnessstudio oder in geschlossenen Räumen, da ist es sicherlich noch problematisch.

Wagen Sie einen Blick in den Herbst, kann man da in Deutschland wieder Handball, Volleyball oder Eishockey spielen?

Protzer: Ich hoffe es sehr, aber ganz sicher garantieren kann man das im Moment nicht.

Auch die milliardenschwere Bundesliga hängt am Tropf der Lockerungen, die die Politik nach dem Shutdown Stück für Stück ermöglicht. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer wollte sich am Mittwoch in Berlin nicht festlegen, ob darüber spätestens bei der für den 6. Mai geplanten Unterredung von Kanzlerin und Regierungschefs der Länder entschieden wird.

„Für die Neubewertung ist das aktuelle Infektionsgeschehen entscheidend“, betonte Demmer. Sie sagte, für die Profis gelten „natürlich die gleichen Infektionsschutzregeln wie für alle anderen auch“.

Werden beispielsweise die Ausgangsbeschränkungen bundesweit verlängert, verzögert sich auch die Rückkehr der Bundesligisten in ein reguläres Mannschaftstraining und damit wohl auch der Neustart der Saison, über den momentan für 16. oder 23. Mai spekuliert wird.

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