Mehr als nur Nonsens
Wieso nur italienische Pizza vor Krebs schützt
Alles andere als unwürdig: Die Ig-Nobelpreise wurden verliehen. Die Preise für kuriose Forschungsergebnisse werden mittlerweile richtig ernst genommen – und belohnen viele Erkenntnisse für den medizinischen Bereich.
Veröffentlicht:CAMBRIDGE, MASSACHUSETTS. Zum 29. Mal wurden am Abend des 12. September (Ortszeit) die Ig-Nobelpreise an der Harvard Universität verliehen. Das Magazin „Annals of Improbable Research“ verleiht die Preise für skurrile Forschungsthemen jährlich, um „das Ungewöhnliche zu feiern, das Phantasievolle zu ehren – das Interesse der Menschen an Wissenschaft. Medizin und Technologie anzuregen“, so die offizielle Preisbegründung. Ig steht für ignoble, also zu Deutsch: unwürdig, schändlich.
Dieses Jahr wurden unter anderem ausgezeichnet:
- in der Kategorie Medizin Silvano Gallus vom Mailändischen Instituto di Recerche Farmacologiche Mario Negri für die Erkenntnis, dass Pizza vor Krankheiten und Tod schützen kann, wenn sie in Italien hergestellt und gegessen wird. Insbesondere gegen Krebs könnte der runde Teigfladen helfen: In einer Studie fanden er und sein Team heraus, dass regelmäßige Pizzaesser ein geringeres Risiko hatten, beispielsweise an Krebs der Speiseröhre, der Mundhöhle oder des Kehlkopfes zu erkranken.
- für medizinische Lehre die Amerikanerinnen Karen Pryor und Theresa McKeon. Sie haben untersucht, inwiefern eine Tiertrainings-Methode namens Klicker-Training genutzt werden kann, um Chirurgen beizubringen, orthopädische Operationen durchzuführen: Grundlegend belohnten sie Ärzte bei richtigen Schritten, indem sie auf ein Gerät drückten, dass ein Klickgeräusch erzeugt, um sie zu motivieren, so weiterzumachen. Sie fanden heraus: Was bei Hunden funktioniert, klappt auch bei Menschen. Ärzte wurden erfolgreich motiviert und führten die Eingriffe besser durch als solche Operateure ohne Klicker-Rückmeldung. Möglicherweise liegt der Erfolg der Methode daran, dass die stille, ausschließlich positive Rückmeldung motivierender ist als die Stimme eines erfahrenen Kollegens beim Anlernen.
- im Bereich Biologie ein internationales Forscherteam, dass herausgefunden hat, dass tote Kakerlaken länger magnetisch bleiben als lebendige – was sie während der Veranstaltung mit einem Video demonstrierten, in dem sie eine lebende und eine tote Kakerlake an einen magnetischen Kühlschrank versuchten anzuheften: Nur bei dem toten Tier funktionierte das.
- in der Chemie ein japanisches Forscherteam, das analysiert hat, wie viel Speichel ein Fünfjähriger im Durchschnitt täglich bildet. Auf der Bühne demonstrierten seine Söhne – sie waren als Kinder Probanten –, wie das Experiment vor knapp einem Vierteljahrhundert ablief: Sie aßen für eine vorgegebene Zeit Bananen und spuckten diese danach aus – mit ihrem produzierten Speichel daran.
- Der Ig-Nobelpreis für Wirtschaft ging an Forscher, die untersucht haben, das Papiergeld welcher Nation am keimbelastetsten ist. Ergebnis der Wissenschaftler, die in Anzügen im Geldscheinmuster bei der Verleihung erschienen: Die Wahrscheinlichkeit, sich mit E. coli-Bakterien anzustecken, ist beim Anfassen von rumänischen Leu am höchsten.
- Ein internationales Forscherteam durfte sich über den Friedens-Ig-Nobelpreis freuen. Ihre ausgezeichnete Studie behandelt die Messung des Genusses, wenn man sich an einer juckenden Stelle kratzt.
- französische Forscher für die anatomischen Erkenntnisse, dass meistens der linke Hoden eine höhere Temperatur besitzt als der rechte – gemessen an von französischen Postboten und Busfahrern.
Achtjährige unterbricht traditionell Reden
Einige der Traditionen des Ig-Nobelpreises muten ebenfalls speziell an: So haben die Preisträger genau eine Minute Zeit für ihre Dankesrede. Überziehen sie diese Redezeit, kommt ein achtjähriges Mädchen namens Miss Sweetie Poo auf die Bühne und wiederholt ununterbrochen den Satz „Bitte hör auf, ich langweile mich“.
Über die Jahre haben die Redner daher die Gewohnheit entwickelt, sie zu bestechen zu versuchen: So schenkte Medizinpreisträger Gallo ihr ein T-Shirt mit Pizzamotiv und die japanischen Speichelanalysten versuchen es mit Bananen: Ohne Erfolg, wie immer blieb die Achtjährige hart.
Mehr als nur Unterhaltung
Auch wenn die Preisverleihung zunächst nach reinem Klamauk aussehen mag, nimmt die wissenschaftliche Gemeinschaft den Preis und seine Ziele ernst: Zahlreiche Nobelpreisträger (ja, die echten) nehmen an der Zeremonie jedes Jahr teil und übergeben meistens auch die Preise.
Ein Video ehrte den Physik-Nobelpreisträger von 2005, Roy Glauber. Dieser hatte jahrelang als Hausmeister die Papierflieger, die das Publikum traditionell auf die Bühne fliegen lässt, weggefegt. Glauber starb letzten Dezember.
Neben dem Preis – dieses Jahr eine Skulptur zwischen Zahnputzbecher, Kaffeetasse und Smartphonehülle – erhielten die Gewürdigten eine 10 Milliarden Dollar-Note aus Zimbabwe – Gegenwert: etwa 2500 Euro. Moderator Marc Abrahams schloss die Veranstaltung mit den bereits legendären Abschlussworten: „Wenn Sie dieses Jahr keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben – und insbesondere, wenn Sie einen gewonnen haben –: mehr Glück im nächsten Jahr!“