Gaza-Krieg 2014
Zerstörte Kliniken beeinträchtigen massiv die Versorgung
Während des Gaza-Krieges 2014 wurden viele Krankenhäuser zerstört und medizinisches Personal verwundet oder getötet. Für die medizinische Versorgung im Gaza-Streifen bedeutete das einen herben Rückschlag, so unabhängige Gesundheitsexperten.
Veröffentlicht:FRANKFURT/MAIN. Gab es während des siebenwöchigen Gaza-Krieges im vergangenen Juli und August von israelischer Seite aus im Rahmen der "Operation Protective Edge" Angriffe auf medizinische Einrichtungen und Rettungskräfte im Gaza-Streifen, obwohl das palästinensische Gesundheitsministerium die Kennzeichnungen von Krankenwagen und medizinischen Teams sowie die Koordinaten der Gesundheitseinrichtungen an die israelische Armee übermittelt haben soll? Nach Zeugenaussagen soll es sich so zugetragen haben.
Das sind zumindest Erkenntnisse, die eine achtköpfige, unabhängige "Fact-Finding Mission" (FFM) gewonnen hat, die nach Aussage der in Frankfurt angesiedelten Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international als einzige ihrer Art mit Erlaubnis der israelischen Regierung zwischen August und November 2014 wiederholt im Gaza-Streifen auf Spurensuche gegangen ist, um medizinische und gesundheitsbezogene Informationen zu sammeln.
Die Ergebnisse der acht internationalen Gesundheitsexperten, zu denen auch die deutsche Gynäkologin und forensische Anthropologin Dr. Jutta Bachmann gehört, sind nun in dem Bericht "Gaza 2014" veröffentlicht worden, den der israelische medicoPartner Physicians for Human Rights-Israel (PHR-IL) vorgelegt hat.
Fatale "Doppelschläge"
Anhand konkreter Beispiele verdeutlicht der Bericht, warum so viele Zivilisten durch die Militäroffensive ums Leben gekommen sind: Versagen des Vorwarnsystems, fehlende Fluchtwege, Zusammenbruch des Evakuierungsmechanismus für Verwundete und Angriffe auf Rettungskräfte.
Verantwortlich für eine hohe Zahl von Opfern seien demnach sogenannte "Doppelschläge", bei denen nach einem Angriff die zu Hilfe eilenden Verwandten und Rettungskräfte von nachfolgendem Beschuss getroffen werden.
Laut Bericht seien unter Berufung auf Angaben der WHO und des palästinensischen Gesundheitsministeriums während des Gaza-Krieges im vergangenen Jahr 23 medizinische Fachkräfte getötet und 83 weitere verletzt worden.
45 Krankenwagen, 17 Kliniken und 56 Gesundheitseinrichtungen seien beschädigt oder zerstört worden. Insgesamt seien mehr als 2100 Todesopfer zu beklagen gewesen, darunter zu 70 Prozent Zivilisten.
Die Gesundheitsdienstleister im Gaza-Streifen hatten sich laut FFM bereits vor der israelischen Offensive vom 8. Juli auf Angriffe und damit einen Massenansturm von verwundeten Patienten vorbereitet. So hätten alle Kliniken elektive Eingriffe auf unbestimmte Zeit ausgesetzt und medizinisches Versorgungsmaterial zuhauf eingelagert.
Für die Versorgungsrealität während des Krieges habe dies aber keineswegs ausgereicht. So habe der WHO-Vertreter Mahmoud Daher kurz nach Kriegsbeginn beobachtet, wie zum Beispiel am Shifa Hospital in Gaza-Stadt innerhalb einer halben Stunde 240 Patienten in die Notaufnahme gekommen seien.
Unklarheit bei Reha-Bedarf der Bevölkerung
Mehr als 11.000 Verletzte soll der 50 Tage währende Krieg laut Bericht unter der Bevölkerung im Gaza-Streifen gefordert haben. Ein großes Problem ist es in den Augen der FFM, den physischen wie psychischen Rehabilitationsbedarf der Betroffenen richtig einzuschätzen.
Es gebe keinerlei Dokumentationen über die im Krieg vorgenommenen Amputationen oder andere operative Eingriffe. Weitere exogene Faktoren erschwerten aus Sicht der Experten die Reha im Nachkriegs-Versorgungsalltag.
So sei mit dem Al Wafa Hospital sehr früh zu Kriegsbeginn nicht nur die einzige öffentliche Reha-Klinik in Gaza-Stadt in Schutt und Asche gelegt worden. Auch seien viele Menschen und Kommunen im Gaza-Streifen damit beschäftigt, erst wieder in ihr Leben zurückzufinden respektive lokale Strukturen aufzubauen.
Wie die Experten in dem Bericht ebenfalls hinweisen, habe der Krieg nicht nur Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung im Gaza-Streifen gehabt. Auch im Süden Israels sei speziell die Gesundheit der Kinder gefährdet.
So habe ein in der Nähe zur Grenze angesiedelter Hausarzt, der der einzige Mediziner im Umkreis von 100 Quadratkilometern sei, gegenüber der FFM angegeben, dass mit der Zunahme der Raketenwarnungen und Attacken aus dem Gaza-Streifen die meist arme Bevölkerung in der ländlich geprägten Region immer stärker traumatisiert würden.
Bei vielen Kindern sei eine konstante Angst, Schlafstörungen inklusive Albträumen zu beobachten sowie der Trend zum Verlust eines Sicherheitsgefühls in den eigenen vier Wänden.