Stickstoffdioxid
65 Städte überschritten 2017 den Grenzwert
Die Debatte um die bestehenden Grenzwerte bei Luftschadstoffen nimmt immer mehr an Fahrt auf. Wir zeigen am Beispiel von Stickstoffdioxid, wo welche Belastung im Jahr 2017 gemessen wurde.
Veröffentlicht:BERLIN. In Deutschland herrscht dicke Luft wegen der Luftschadstoffe. Die Frage, ob die geltenden Grenzwerte für Stickoxide (NOx) und Feinstaub ausreichend sind oder herabgesetzt werden sollten, entzweit die deutschen Pneumologen – und führt zu einer heftigen fachinternen Auseinandersetzung.
Rund 100 Lungenärzte um Professor Dieter Köhler, den einstigen Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP), bezweifeln den gesundheitlichen Nutzen der bestehenden Grenzwerte. Sie sehen keine wissenschaftliche Begründung, die die aktuellen Grenzwerte rechtfertigen.
Dem widersprechen andere Pneumologen aus Deutschland und auch internationale Lungengesellschaften.
Politische Diskussion entbrannt
Aus der fachlichen Debatte ist eine politische geworden, die unterschiedliche Auffassungen in der Regierungskoalition offenbart: Während Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die geltenden Grenzwerte in Städten in Zweifel zieht („Wir müssen die Logik der Grenzwerte schon hinterfragen“), sieht SPD-Gesundheitsexperte Professor Karl Lauterbach keinen Anlass, die Grenzwerte zu verändern.
Doch wie akut und groß ist das Problem der überschreitenden Schadstoffgrenzwerte überhaupt? Am Beispiel der Stickstoffdioxid-Belastung wollen wir das aufzeigen. Dazu haben wir uns Daten des Umweltbundesamtes (UBA) genauer angesehen.
München an der Spitze
Seit 2010 gilt EU-weit der Jahresgrenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft. Nach Angaben der UBA haben im Jahr 2017 insgesamt 65 deutsche Städte diesen Wert überschritten (siehe nachfolgende Grafik). Ein Jahr zuvor waren es noch 90 Städte.
Der höchste Jahresmittelwert wurde 2017 in München gemessen (78 µg/m3), vor Stuttgart (73) und Darmstadt (72). Es folgen Köln (62), Reutlingen (60) und Düren (58). Ebenfalls in den Top 10 sind Hamburg, Limburg an der Lahn (beide 58), Düsseldorf und Kiel (je 56).
In 249 weiteren Städten lagen die Jahresmittelwerte 2017 unterhalb des Grenzwerts, berichtet das Umweltbundesamt. Unsere nachfolgende Tabelle zeigt die Daten zur Stickstoffdioxid-Belastung aller UBA-Messstationen. Am Donnerstag will das UBA die Daten für 2018 veröffentlichen.
Unterdessen hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) vorgeschlagen, die Standorte der Messstationen in Frage zu stellen.
Nirgendwo sonst würden die Werte so gemessen wie in Deutschland, betonte er. Andere Hauptstädte gingen da „sehr freizügig und sehr flexibel“ vor – in Wien etwa sei eine Messstelle in einer Fußgängerzone.