Nach der Sondierung
Ärzte an GroKo: Budgetierung und Abstaffelung überdenken!
Nach der Sondierung ist vor den Koalitionsgesprächen. Selbstverwaltungspartner und Ärzteverbände platzieren vorsorglich die ersten Botschaften.
Veröffentlicht:BERLIN. Vertreter der Gemeinsamen Selbstverwaltung und von Ärzteverbänden richten in ihren Stellungnahmen zu den Ergebnissen der Sondierung ihren Blick auf die nun voraussichtlich anstehenden Koalitionsverhandlungen.
"Die paritätische Finanzierung der GKV ist für uns als Körperschaft eher nachrangig", sagte KBV-Chef Dr. Andreas Gassen. In Zeiten sprudelnder Einnahmen sollten die Koalitionäre in spe Konzepte wie Budgetierung und Abstaffelung überdenken. Die ärztlichen Grundleistungen aus den Budgets herauszunehmen solle nun nachhaltig vorangetrieben werden. "Das ist für vergleichsweise wenig Geld zu haben", sagte Gassen. Dass die Gesundheitsversorgung im Sondierungspapier kaum eine Rolle spielt, führt Gassen darauf zurück, dass wenig akuter Handlungsbedarf bestehe, außer in der Neuorganisation der Notfallversorgung.
Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Dr. Doris Pfeiffer, warnte davor, Geld nach dem Gießkannenprinzip zu verteilen. Die Einigung der Sondierer auf Personaluntergrenzen in allen bettenführenden Klinikabteilungen nannte sie "grundsätzlich richtig". Ihr Stellvertreter Johann-Magnus von Stackelberg hatte bereits vor der Einigung auf eine vollständige Refinanzierung von Tarifsteigerungen in Krankenhäusern darauf verwiesen, dass die Kassen den Kliniken schon heute mehr bezahlten als für den Tarifausgleich nötig wäre.
Auf die Pflicht der Länder, die Kosten für Klinikbauten und Großgeräte in den Krankenhäusern vollständig zu übernehmen, verwies die Vorsitzende des Ersatzkassenverbands Ulrike Elner. Entscheidend sei, dass die bessere Vernetzung im Gesundheitswesen und die erhöhten Investitionen für Digitalisierung nicht alleine bei den Beitragszahlern abgeladen werden dürften. Enttäuscht zeigte sich Elsner darüber, dass der Finanzausgleich der Kassen untereinander (Morbi-RSA) bei den Sondierungsgesprächen keine Rolle gespielt habe.
Vorbereitungszeit für die Umsetzung von Personaluntergrenzen in allen bettenführenden Abteilungen hat der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Dr. Gerald Gaß, gefordert. Das sei eine "methodisch anspruchsvolle Aufgabe". Gaß sagte "klare Unterstützung" der DKG für die sektorübergreifende Zusammenarbeit unter "fairen Rahmenbedingungen" zu, insbesondere bei der Notfallversorgung.
Erleichterung äußerte Hartmannbund-Chef Dr. Klaus Reinhardt über die von den Sondierern "offensichtliche Konsentierung der Beerdigung der Bürgerversicherung". Wichtiger seien der Abbau überflüssiger Bürokratie und intelligente Instrumente der Patientensteuerung.
Zur Bürgerversicherung äußerte sich auch NAV-Virchow-Bund-Vorsitzender Dr. Dirk Heinrich. Vernunft habe sich gegen Ideologie, Evolution gegen Revolution durchgesetzt. Diese Linie müsse sich nun auch durch die Koalitionsgespräche ziehen, forderte Heinrich. Grundlage für Verbesserungen von Qualität und Wettbewerb sei ein Ende der Budgetierung und die Stärkung der Selbstverwaltung.
Sondierungsergebnis: Gesundheit und Pflege in allen Politikfeldern
Nicht nur im Gesundheits- und Pflegeteil des Sondierungspapiers finden sich Punkte, die in die Gesundheits- und Pflegepolitik hineinwirken können.
» Wirtschaft, Digitalisierung, Infrastruktur: Ein "Fachkräfteeinwanderungsgesetz" könnte Ärzte- und Pflegefachkraftmangel beheben helfen.
Ein gesamtdeutsches Fördersystem für strukturschwache Regionen soll auch die Niederlassungsbereitschaft von Ärzten auf dem Land oder in sozialen Brennpunkten der Städte beleben.
Die bis 2025 geplante Erstellung von Gigabitnetzen auf Glasfaserbasis könnte die Telemedizin verbreiten und erleichtern.
» Familie, Frauen, Kinder: Die angekündigte Bekämpfung von Kinderarmut und die komplette staatliche Finanzierung des Kita- und Schulessens kann positive Effekte auf Fehlernährung entwickeln.
Die Entgeltlücken von Frauen in Sozial- und Pflegeberufen sollen gezielt abgebaut werden.
» Bildung und Forschung: Finanzielle Ausbildungshürden bei Sozial- und Pflegeberufen sollen abgebaut, Ausbildungsvergütungen eingeführt werden.
» Recht und Verbraucherschutz: Für den Schutz der kritischen Infrastruktur sollen möglichst europaweit Sicherheitsstandards entwickelt werden. Profitieren können möglicherweise auch Krankenhäuser und Ärzte.
» Kommunen und ländlicher Raum: Ziel der möglichen neuen GroKo sind gleichwertige Lebensverhältnisse im urbanen und ländlichen Raum in Ost und West. Dazu gehören nach Aussage von Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz auch niedergelassene Ärzte und Apotheker vor Ort.
» Landwirtschaft: Der Einsatz des als gesundheitsgefährdend geltende Pflanzenschutzmittels Glyphosat soll systematisch beendet werden. Fleisch aus "besserer Tierhaltung" soll gefördert werden. (af)
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