These erhärtet
Ärzte zieht's zu den Privatpatienten
Die Parole schwebte schon über so manchem Stammtisch: Wo es viele Privatversicherte gibt, lassen sich Ärzte gerne nieder. Eine Untersuchung zweier Gesundheitsökonominnen erhärtet nun die These.
Veröffentlicht:BERLIN. Wo die Schönen, Reichen und Privatversicherten leben, da lassen sich mehr Vertragsärzte nieder. Diese populäre These sehen Ökonominnen aus Berlin und München nun bestätigt.
"Privatversicherte setzen betriebswirtschaftliche Anreize zur Niederlassung", sagte Professor Leonie Sundmacher aus München am Donnerstag in Berlin. Aus Sicht des Vertragsarztes sei es sinnvoll, viele Privatpatienten zu behandeln.
Aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung erschwere die Konzentration von Versorgungsressourcen in wohlhabenden Gebieten die Sicherstellung der Versorgung anderswo. Sundmacher sprach sich für eine Konvergenz von EBM und GOÄ aus, um die Anreize zur Fehlallokation abzumildern.
318 Kreise untersucht
Beim Public Health-Kongress "Armut und Gesundheit" präsentierte Sundmacher eine Untersuchung zum Zusammenhang zwischen dem Anteil von Privatversicherten in einer Region und der Vertragsärztedichte, die sie im vergangenen Jahr gemeinsam mit ihrer Kollegin Dr. Susanne Ozegowski angestellt hatte. Ihre Daten stammen aus 2010 und 2011.
Jedes Prozent mehr an Privatversicherten in einem städtisch geprägten Kreis sei mit einem Anstieg von vier Vertragsärzten auf 100.000 Einwohner verbunden, drei Fachärzten und - statistisch gerechnet - etwas weniger als einem Hausarzt. In ländlichen Kreisen ließ sich das Phänomen abgeschwächt ebenfalls beobachten.
Die Wissenschaftlerinnen haben 318 der 412 Stadt- und Landkreise untersucht. 2010 praktizierten dort im Schnitt auf 100.000 Einwohner 162 Vertragsärzte, 98 Fach- und 64 Hausärzte.
Der durchschnittliche Anteil an Privatversicherten lag bei 13,48 Prozent, in urbaneren Gegenden bei 14,23, auf dem flachen Land bei 12,50 Prozent.
Starnberg mit hohem Versorgungsgrad
Laut der Untersuchung gibt es in den neuen Ländern, in Westfalen, Unterfranken und in Nordhessen vergleichsweise wenig Privatversicherte. Im südlichen Bayern, am Oberrhein und im Rhein-Main-Gebiet erreicht ihr Anteil Spitzen von 30 Prozent.
Dass diese Beobachtung mit Versorgungsgraden korreliert, hat das Wissenschaftliche Institut der Ortskrankenkassen (WIdO) bereits 2009 aufgezeigt. Demnach gab es im Landkreis Starnberg einen Versorgungsgrad mit Fachärzten von 148,4 Prozent, in Freiburg 141,3 Prozent, in München und Garmisch-Partenkirchen je rund 130 Prozent.
Unterversorgung gab es mit 64,8 Prozent lediglich im Landkreis Saalkreis in Sachsen-Anhalt. Im Ranking der Kreise mit den wenigsten Vertragsärzte gab es damals drei weitere aus Sachsen-Anhalt und mit Soltau-Fallingbostel einen aus Niedersachsen.
Umsteuernde Effekte der neuen, kleinräumiger ausgelegten Bedarfplanungsrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss, die seit 2013 in Kraft tritt, sind noch nicht bekannt. Die Richtlinie soll in knapp zwei Jahren evaluiert werden.