Versorgungsforschung
Akupunktur-Hype hat sich abgeschwächt
Die Akupunktur-Konjunktur hat sich abgekühlt. Seit Jahren sinkt die Zahl der behandelten Patienten kontinuierlich.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Hochkonjunktur bei Akupunkturleistungen ist Vergangenheit. Ursachen dafür sind die begrenzte Wirksamkeit dieser Therapie und wachsender Ärztemangel, der dazu führt, dass Ärzte ihre Arbeitszeit auf essenzielle Leistungen konzentrieren.
Das sind Ergebnisse einer Verlaufsanalyse, die Professor Jean-Francois Chenot von der Universitätsmedizin Greifswald bei der Konferenz Versorgungsforschung 2017 des Zentralinstituts (Zi) für die kassenärztliche Versorgung in Berlin präsentierte.
Akupunktur wurde – auch auf Druck verschiedener Krankenkassen – vom Gemeinsamen Bundesausschuss als Kassenleistung zur Behandlung von chronischen Knie- und Rückenschmerzen 2007 eingeführt, nachdem die GERAC-Studie eine Wirksamkeit sowohl für Echt- als auch für Pseudo-Akupunktur gezeigt hatte. Akupunktur werde allerdings nach wie vor kontrovers beurteilt: Das britische NICE gab laut Chenot eine negative Empfehlung, aktuelle Studien in den USA zeigten bei niedriger Evidenz eine Wirkung auf den Schmerz, aber nicht auf die Funktion.
Chenot und seine Studienkollegen werteten die Daten von vier Millionen Versicherten der Ersatzkassen aus. Danach rechnen 50 Prozent der Orthopäden, aber nur acht Prozent der Hausärzte die Akupunkturleistungen nach den GOP 30790 und 30791 des EBM ab. Von den vier Millionen Versicherten litt jeder Vierte, also eine Million, unter Knie- und Rückenschmerzen, davon erhielten 70.000 Akupunkturleistungen, mit 86 Prozent der überwiegende Teil gegen die Rückenbeschwerden. Üblicherweise umfasst ein Behandlungszyklus zehn Sitzungen. Bis zur fünften Sitzung brachen 21 Prozent der Patienten die Therapie ab, wahrscheinlich wegen fehlender Wirkung, aber auch wegen des Zeitaufwandes.
Offenkundig, so Chenot, handelt es sich beim Umfang der Inanspruchnahme von Akupunktur um eine angebotsinduzierte Leistung. Ob und wie aktiv Ärzte die Leistung anbieten, hänge insbesondere auch von der Höhe der Vergütung ab. Als Beleg dafür nennt er erhebliche regionale Unterschiede der Abrechnungsfrequenzen – am höchsten in Nordrhein-Westfalen, am niedrigsten in den neuen Bundesländern. "Offenbar ist Akupunktur ein zeitabhängiges Add-on und bei Ärztemangel nicht prioritär." Seit Jahren sinke der Umfang der Leistungsmenge – auch als eine Folge der Integration von Akupunkturleistungen in das Qualitätsgebundene Zusatzvolumen (QZV). Ursächlich könnten aber auch Sättigungseffekte sein.
Zu beobachten sei, dass sich 50 Prozent der Akupunkturleistungen auf zehn Prozent der Ärzte konzentrierten – eine denkbare Erklärung sei, dass es unter den Medizinern "Könner, aber auch Stümper" gebe. Bis heute – zehn Jahre nach Einführung der Akupunktur – sei nicht bekannt, ob durch Akupunktur der Bedarf an Arzneimitteln, zum Beispiel Schmerzmitteln, sinke. Notwendig seien deshalb weitere Forschungsarbeiten auf einer größeren Datenbasis mit zehn Millionen Versicherten.