Gentests an Embryonen
Alte Gräben reißen wieder auf
Zoff um Gentests: Von Beginn an haben die Länder harsche Kritik an der geplanten Verordnung zur PID geübt. Geändert hat das Gesundheitsministerium den Entwurf kaum. Jetzt droht die Quittung.
Veröffentlicht:BERLIN. Im Streit um die Präimplantationsdiagnostik zwischen der Bundesregierung und den Ländern fällt am Donnerstag eine Vorentscheidung.
Der Gesundheitsausschuss des Bundesrates berät am Donnerstag über mehrere Länder-Anträge, die den schwelenden Konflikt mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) befeuern.
Strittig sind vor allem die bisher unbeschränkte Zahl an Zentren, in denen eine PID vorgenommen werden darf sowie Verfahrensvorgaben für Ethikkommissionen. Das geht aus den Länderanträgen im Gesundheitsausschuss hervor, die der "Ärzte Zeitung" vorliegen.
Stimmt eine Mehrheit der Länder diesen zu, würde das einen Umbau der BMG-Verordnung in zentralen Passagen erfordern.
Kommt es nicht noch zu einem kurzfristigen Kompromiss mit der Bundesregierung, dann könnte der Bundesrat die Verordnung in seiner Sitzung am 1. Februar stoppen.
Auch im Bundestag setzen Abgeordnete darauf, dass die Länderkammer die Bremse zieht. So etwa Birgitt Bender, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen. Sie hatte dem Entwurf für eine "eng begrenzte Zulassung" der PID seinerzeit nicht zugestimmt und sieht ihre Befürchtungen jetzt bestätigt.
"Der Verordnungsentwurf begrenzt nichts, sondern öffnet die Tore weit: Eine unbegrenzte Zahl von Zentren schafft sich ihre eigene Nachfrage – für die erwarteten 100 bis 200 Fälle pro Jahr reichen zwei bis drei Zentren und eine Ethikkommission aus", sagte sie der "Ärzte Zeitung".
Kein Anspruch auf Zulassung
So will Nordrhein-Westfalen beispielsweise bei der Zulassung von PID-Zentren rechtstechnisch einen völlig anderen Weg gehen als das Bundesgesundheitsministerium.
Zentren, die bestimmte Vorgaben erfüllen, müssen laut Verordnungstext zugelassen werden, und zwar in unbegrenzter Zahl. Die rot-grüne NRW-Landesregierung schlägt den umgekehrten Weg vor.
"Ein Anspruch auf Zulassung (eines Zentrums) besteht nicht", heißt es im Antrag. Ob eine Einrichtung zugelassen werde, solle vielmehr "anhand des Kriteriums ‚Bedarf‘ nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werden".
In dieselbe Richtung ging auch der Vorschlag des Deutschen Ethikrats. Das Beratungsgremium versuchte in seiner Stellungnahme Ende November erst gar nicht, seinen Unmut über die handwerkliche Qualität der Verordnung zu verbergen.
Die Regelung im Embryonenschutz-Gesetz sehe ein grundsätzliches Verbot der PID bei nur ausnahmsweiser Zulässigkeit vor, erinnert der Ethikrat. Die "organisations- und verfahrensrechtlichen Vorgaben" der Verordnung "genügen diesen Anforderungen nicht".
Vielmehr solle die Zahl der Zentren so bemessen werden, dass die Diagnostik für die erwarteten 300 Fälle pro Jahr "angemessen" vorgenommen werden kann. Drei PID-Einrichtungen bundesweit seien vor diesem Hintergrund "wünschenswert", schrieb der Ethikrat.
Die BMG-Verordnung erlaubt dagegen Kooperationen von humangenetischen und reproduktionsmedizinischen Einrichtungen quer durch die Republik - dies würde die Zahl zugelassener Einrichtungen nochmals erhöhen.
Huber warnt vor "Medizintourismus"
Die Kritik an der Verordnung aus dem Hause Bahr sortiert sich nicht nach Parteifarben. So fordert auch Bayern eine zahlenmäßige Begrenzung der Zentren. Gesundheitsminister Marcel Huber (CSU) will zudem auch Klarstellungen bei den Ethikkommissionen.
So fehlten Regelungen, wie oft ein Antrag bei Ethikkommissionen gestellt werden darf, sagte er der "Ärzte Zeitung". "Es darf keine sich widersprechenden Entscheidungen mehrerer Kommissionen geben: Wir wollen keinen Medizintourismus auf Kosten des Lebens", so Huber.
In die gleiche Kerbe stößt die Bundesärztekammer (BÄK). Sie plädiert für eine zentrale Ethikkommission in Deutschland.
Im Falle von 16 solcher Gremien seien "widersprüchliche Entscheidungen verschiedener Ethikkommissionen zwangsläufig zu erwarten", warnt die BÄK. Denn dann berate eine Kommission nur wenige Fälle pro Jahr und könne kaum Erfahrung sammeln.
Bayern spricht sich zudem in einem Antrag dafür aus, dass die gesetzlich vorgeschriebene Beratung von Frauen zu den psychischen und sozialen Folgen einer PID nicht von den Zentren selber angeboten werden darf.
Anderenfalls bestehe die Gefahr, "dass eine ergebnisoffene und unabhängige Beratung nicht gewährleistet werden kann", heißt es.
Mit dem Verordnungsentwurf sind alte Konflikte, die bereits die Debatten im Bundestag geprägt hatten, wieder aufgebrochen.
Stoppt der Bundesrat am 1. Februar die Rechtsverordnung, müsste das BMG eine neue Vorlage erarbeiten - anderenfalls bleibt die gesetzliche PID-Regelung ein Torso. Die Rechtsunsicherheit für betroffene Paare und für ihre behandelnden Ärzte wäre damit zementiert.
Mitarbeit: Sunna Gieseke
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