Auf "Intensiv" leben Ärzte und Pflegekräfte schon zusammen
Ärzte und Pflegekräfte leben auf unterschiedlichen Planeten, lautet eine oft wiederholte These. Sind es vielleicht nur ihre Funktionäre? Das wurde beim Hauptstadtkongress laut nachgefragt.
Veröffentlicht:BERLIN. Leben Ärzte und Pflegekräfte nach wie vor Rücken an Rücken? Dieser Frage spürte das Streitgespräch "Zwei Welten - ein Patient" beim Hauptstadtgespräch nach.
Dabei wurde schnell deutlich: Sowohl auf der Funktionärsebene als auch auf der Station im Krankenhaus haben Ärzte und Pflege noch nicht so richtig zusammengefunden.
Pflegekräfte: Gutmenschen, aber leicht beleidigt
Wollen würde man ja schon gerne, Platzhirschgehabe bei den Ärzten und Minderwertigkeitskomplexe bei den Pflegekräften verhindern weitgehend die Zusammenarbeit unter dem gemeinsamen Dach der einen Medizin.
Das höchste Gutmenschenpotenzial im Gesundheitswesen, hoch motiviert, schlecht bezahlt - und immer etwas beleidigt, weil sein Beitrag zur Versorgung nicht hinreichend gewürdigt werde: Dieses Bild zeichnete der ärztliche Direktor des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, Professor Jörg Debatin, vom Pflegesektor.
Pflegekräfte verbringen mehr Zeit bei Patienten als Ärzte
Für Dünkel sei kein Platz mehr im Krankenhaus, entgegnete Barbara Schulte von der Uniklinik Göttingen. "Wo bleibt der Respekt? Wo bleibt die Achtung voreinander?" fragte sie. Ärzte müssten zur Kenntnis nehmen, dass die Pflege den besseren Überblick über das Therapiegeschehen im Krankenhaus habe.
Die Pflegekräfte verbrächten einfach mehr Zeit mit den Patienten. Schulte forderte flachere Hierarchien und per Delegation mehr medizinische Verantwortung für die Pflegekräfte.
Auch heute schon sieht Schulte Wege, den Stillstand im Dialog zwischen Ärzten und Pflegekräften zu überwinden. Die Intensivmedizin lebe es vor. Dort sei das Trennende zwischen den Welten aufgehoben. Ärzte und Pflegende arbeiteten im Hochleistungsteam Hand in Hand.
Bereitschaft zur Veränderung in der Pflege größer
Dem Austausch bereits 20 Jahre alter Argumente meinte Sana-Vorstand Dr. Michael Philippi zu lauschen. "Ein deutsches Phänomen, ein Funktionärsproblem", machte er in der Debatte aus. Andere Länder würden mehr Zwischenstufen zwischen Pflegenden und Ärzten kennen.
Diese Differenzierung brauche Deutschland auch. Erst wenn es arztergänzende Berufsfelder geben werde, würden die Ärzte erkennen, die ihnen eine Hilfe sein können. In diesem Punkt sei die Bereitschaft zur Veränderung in der Pflege größer.
Erledigt sich die Debatte von selbst?
Ein Ende der Querelen ist möglicherweise in Sicht: Die sich aus der demografischen Entwicklung ergebende Personalknappheit bei Ärzten und Pflegekräften wird die Debatte obsolet machen, sagte Philippi voraus. Ärzte würden dann auf ihre eigentlichen Job zurückgeworfen sein, von Pflegekräften gesteuert als Experten dort zu sein, wo der Motor stottert.
Ärzte sollten um die Delegation von ärztlichen Leistungen nicht soviel Aufhebens machen, sagte Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates. Dass dies schon längst auf vielen Ebenen geschehe, zähle zu den Grauzonen im Krankenhaus, die es aufzuhellen gebe.
Daraus ergäben sich dann aber Konsequenzen, zum Beispiel für die Bezahlung der Pflegekräfte. Hier stelle sich eine "großpolitische Aufgabe".
Die Gesundheitskammer ist noch Zukunftsmusik
Pflegekammer ja oder nein? - war ein weiterer strittiger Punkt. Für Andreas Westerfellhaus ist die Kammer nötig, um eine offizielle Stimme im Konzert der Gesundheitspolitik zu bekommen, zum Beispiel im Gemeinsamen Bundesausschuss.
Westerfellhaus deutete an, dass er sich auch eine Gesundheitsberufekammer vorstellen könne. Dies sei - quod erat demonstrandum - bei der gegenwärtigen Haltung von Ärzte- und Pflegeorganisationen zueinander noch Zukunftsmusik.
Auch das Publikum war in dieser Frage gespalten. Von "Kammer löst keines der aktuellen Probleme" bis "Wir brauchen eine Pflegegewerkschaft", reichten die engagierten, mit Beifall bedachten Beiträge.