Report vorgelegt

Barmer warnt vor einem prekären Pflegenotstand

Eine Lücke von 182.000 Beschäftigten bei einer steigenden Zahl von Bedürftigen prognostiziert der neue Pflegereport der Barmer. Die Ampel-Regierung erbt eine Riesenbaustelle.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Gute Versorgung im Alter? Das wird immer schwieriger, da bereits heute Pflege- und Assistenzkräfte in der stationären und ambulanten Versorgung fehlen. Gleichzeitig steigt aber der Bedarf an Pflegeleistungen.

Gute Versorgung im Alter? Das wird immer schwieriger, da bereits heute Pflege- und Assistenzkräfte in der stationären und ambulanten Versorgung fehlen. Gleichzeitig steigt aber der Bedarf an Pflegeleistungen.

© Florian Gaertner//photothek/picture alliance

Berlin. Deutschland steuert auf eine riesige Pflegelücke zu. Das legen Hochrechnungen für den neuen Pflegereport der Barmer nahe. Die Studie wurde am Mittwoch vorgestellt.

Demnach könnten in der Langzeitpflege bis 2030 etwa 182.000 Pflege- und Assistenzkräfte fehlen. Ein Grund sei, dass die Zahl der Pflegebedürftigen bis dahin auf sechs Millionen hochschnelle – rund eine Million mehr als bisher angenommen, hieß es. Aktuell beziehen 4,5 Millionen Bundesbürger Pflegeleistungen.

Straub: Brauchen mehr Nachwuchs

„Angesichts der steigenden Zahl Pflegebedürftiger und der bereits heute großen Zahl an fehlenden Pflegekräften ist Deutschland auf dem besten Wege, in einen dramatischen Pflegenotstand zu geraten“, sagte Barmer-Chef Professor Christoph Straub. Die Prognose der Kasse stelle keine „Extremberechnung“ dar, sondern basiere auf „realistischen Annahmen“.

Um den Notstand abzuwenden, brauche es mehr Nachwuchs, so Straub. Die Bündelung der Pflegeausbildung in einer generalistischen Ausbildung und der Wegfall des Schulgelds seien wichtige Schritte gewesen. Nötig sei auch eine bessere Bezahlung von Altenpflegern.

Die alte Bundesregierung hat dafür den Weg freigemacht. So müssen Pflegeheime und Pflegedienste ihre Beschäftigen ab Herbst 2022 nach Tarif bezahlen. Tun die Einrichtungen das nicht, droht der Wegfall des Versorgungsvertrags mit der Pflegekasse.

Auch im Koalitionsvertrag der mutmaßlichen Ampel-Partner fänden sich richtungsweisende Vorhaben zur Pflege, sagte Straub. „Nun muss rasch die Umsetzung angegangen werden.“ Andernfalls bleibe Pflege eine Großbaustelle auf schwachem Fundament.

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Entlastung bei Eigenanteilen – Länder in der Pflicht

Die Bundesländer rief Straub auf, ihrer Verpflichtung zur Übernahme der Investitionskosten bei den Alten- und Pflegeheimen nachzukommen. Dadurch ließe sich bereits eine Entlastung bei den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen erzielen. Die Eigenanteile liegen derzeit bei im Schnitt 2125 Euro je Heimbewohner und Monat.

Um eine finanzielle Überforderung zu vermeiden, sollten die Leistungsbeträge der Pflegeversicherung einmalig angehoben und regelmäßig dynamisiert werden, schlug Straub vor. Der ab 2022 vorgesehene jährliche Steuerzuschuss von einer Milliarde Euro, den noch die geschäftsführende Regierung beschlossen hatte, solle im Gleichschritt mit den jährlichen Ausgaben der Pflegeversicherung steigen.

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Ausgaben von 60 Milliarden Euro

Der Autor des Pflegereports, der Bremer Gesundheitsforscher Professor Heinz Rothgang, wies auf den wachsenden Finanzbedarf in der Pflege hin. Dieser werde schon ohne weitere Leistungsverbesserungen, die aber nötig seien, von heute 49 Milliarden Euro auf 59 Milliarden Euro im Jahr 2030 steigen. Außer der Finanzmisere sei auch die Frage anzugehen, „wer die Pflegebedürftigen künftig betreuen soll“, mahnte Rothgang.

Dem Vorhaben, mehr Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, seien jedenfalls Grenzen gesetzt. Alle EU-Länder beklagten einen Mangel an Fachkräften. Und auch der demografische Wandel in anderen Teilen der Welt wie etwa China verschärfe den Wettbewerb um migrantische Pflegekräfte erheblich, so Rothgang.

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Nach Ausbildungsniveau aufgesplittert fehlen laut Studie bis 2030 etwa 81.000 Pflegefachkräfte, 87.000 Pflegehilfskräfte mit und 14.000 Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung. Dabei sei die vollständige Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens im stationären Bereich noch gar nicht berücksichtigt, sagte Rothgang.

Absoluter Deckel bei Eigenanteilen

Wie aus dem Report weiter hervorgeht, werden in weniger als zehn Jahren knapp drei Millionen Pflegebedürftige ausschließlich von An- und Zugehörigen gepflegt – 630.000 mehr als heute. Vollstationäre Pflege brauchen dann rund eine Million Menschen – derzeit sind es 800.000.

Rothgang forderte, die Eigenanteile durch einen „absoluten Deckel“ zu begrenzen und planbar zu machen. Im Koalitionsvertrag der Ampel sei dies zumindest als „Zielvorstellung“ hinterlegt. „Ansonsten drohen Widerstände der Heimbewohnenden und eine weitere Belastung der Länder und Kommunen mit zusätzlichen Sozialhilfeausgaben.“

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