Im Bundestag
Befürworter des Sterbehilfe-Totalverbots liegen derzeit vorn
Der Deutsche Bundestag hat in seiner ersten Beratung über das Maß der geplanten Sterbehilfe-Reform gestritten. Viele Abgeordnete beanspruchen, mit ihren Gesetzentwürfen die "Mitte" zu repräsentieren - und liegen weit auseinander.
Veröffentlicht:BERLIN. Bei der Reform der Sterbehilfe deutet sich im Bundestag eine Mehrheit für eine restriktive Regelung an.
Im Vorfeld der Debatte im Bundestag haben bislang 212 von 631 Abgeordneten einen fraktionsübergreifenden Antrag unterzeichnet, mit dem jede Form der organisierten Sterbehilfe verboten werden soll. Am Donnerstag stand im Plenum die erste Beratung an (die Debatte zum Nachlesen).
Sterbehilfevereine betrieben ein "zynisches Spiel und wollen den Tod zur Dienstleistung machen", sagte Katrin Vogler (Linke), die für ein Totalverbot plädierte. Es gehe darum, gebrechliche Menschen gegen die Zumutungen der Leistungsgesellschaft zu verteidigen.
Dagegen wandte sich ihre Fraktionskollegin Petra Sitte gegen ein Totalverbot. Der vor allem von grünen und linken Abgeordnete favorisierte Antrag hat bisher 54 Unterzeichner.
Anspruch auf Beratungsgespräch
Die Parlamentarier wollen nur die kommerzielle, also auf Gewinnerzielung gerichtete, Sterbehilfe verbieten.
Die Mehrzahl der Ärzte habe keine Erfahrung im Umgang mit den Wünschen Sterbewilliger, behauptete Sitte. "Deshalb brauchen wir Sterbehilfevereine als dritte Instanz."
Auch Sterbewillige, die nicht an einer tödlich verlaufenden Krankheit leiden, sollten Anspruch auf ein "Beratungsgespräch" haben, sagte Renate Künast (Grüne).
Befürworter des weitgehenden Verbotsantrags warnten hingegen, der assistierte Suizid dürfe nicht legitimiert werden. "Ich sorge mich um eine Gesellschaft mit unlauteren Sterbeerwartungen", sagte die grüne Katrin Göring-Eckardt.
"Ärzte haben unser Vertrauen verdient"
Gegenspieler der Verbotsbefürworter sind Parlamentarier, die explizit Regeln für den ärztlich assistierten Suizid festschreiben wollen.
"Ärzte haben unser Vertrauen verdient, aber keine neuen Strafvorschriften", sagte Peter Hintze (CDU), einer der Initiatoren des Antrags mit bisher 108 Mitzeichnern.
Einer von ihnen, Professor Karl Lauterbach (SPD), warnte, kein Arzt werde mehr Suizidbeihilfe leisten, wenn diese mit drei Jahren Haft bedroht wird.
Harald Terpe (Grüne), ebenfalls Arzt, entgegnete, im Entwurf für ein Verbot von Sterbehilfevereinen werde kein Sonderrecht für Ärzte geschaffen: "Weder besondere Verbote, noch besondere Vorrechte."
Als chancenlos gilt ein vierter Antrag, mit dem Suizidbeihilfe auch im familiären Rahmen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden soll. Der Entwurf hat bisher 35 Unterstützer.
Rund ein Drittel der 631 Abgeordneten hat sich bisher keinem der Entwürfe angeschlossen.
Sterbehilfe-Debatte findet positives Echo
Patienten- und Palliativverbände begrüßen den Gesetzentwurf für ein umfassendes Verbot von Sterbehilfeorganisationen.
Die Debatte zur Sterbehilfe im Bundestag hat überwiegend positive Reaktionen ausgelöst. Der Deutsche Caritas-Verband hält ein Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für "dringend erforderlich".
Eigene Regeln für den ärztlich assistierten Suizid, wie sie im Gesetzentwurf von Peter Hintze (CDU) und anderen vorgeschlagen werden, hält die Caritas für unnötig, "da sich die bisherige Praxis bewährt hat, Menschen im Sterben würdevoll zu begleiten".
Mit der gleichen Stoßrichtung kommentiert der Deutsche Hospiz- und Palliativ-Verband (DHPV) die Debatte. Werde die Beihilfe zum Suizid als Aufgabe des Arztes explizit formuliert, hätte das "unübersehbare Konsequenzen für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient", sagte der DHPV-Vorsitzende Professor Winfried Hardinghaus.
Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz favorisiert den Gesetzentwurf von Michael Brand (CDU) und anderen, der ein Totalverbot organisierter Sterbehilfe vorsieht. Anderenfalls werde der "Tod aus den Gelben Seiten" noch befördert, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch.
Harsche Kritik an dieser Position kommt vom "Humanistischen Verband": "Warum dilettantische Suizidhilfe durch nicht immer selbstlose Angehörige besser sein soll als professionelle Hilfe, vermag der Entwurf von Brand nicht zu erklären", hieß es.
Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Professor Christiane Woopen, sprach sich in der Wochenzeitung "Das Parlament" gegen kommerzielle Sterbehilfe aus.
Die Ärztekammern rief sie auf, die Berufsordnungen so zu vereinheitlichen, "dass eine Gewissensentscheidung des Arztes in tragischen Ausnahmesituationen respektiert und nicht durch ein Pauschalverbot stigmatisiert wird".
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