Sterbehilfe-Debatte

"Niemand von uns weiß, wie das geht - das Sterben"

Am Donnerstag diskutiert der Bundestag das schwierige Thema Sterbehilfe. Vier äußerst unterschiedliche Gesetzentwürfe und ein Antrag liegen vor - wir geben einen Überblick.

Christoph FuhrVon Christoph Fuhr Veröffentlicht:
Sterbehilfe - ein sensibles und heikles Thema in der Politik.

Sterbehilfe - ein sensibles und heikles Thema in der Politik.

© Oliver Berg / dpa

BERLIN. Respekt ist eine hohe Tugend, die bei Sitzungen des Deutschen Bundestag längst nicht immer alle Abgeordneten verinnerlicht haben. Im November vergangenen Jahres, bei der ersten, sogenannten Orientierungsdebatte zum Thema Sterbebegleitung, war das anders.

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Die Sterbehilfe-Debatte im Bundestag: Wir berichten am Donnerstag zwischen 9 und 11.30 Uhr live unter

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Die Mandatsträger wurden extrem persönlich, sprachen über Befindlichkeiten, über letzte, schwierige Fragen des Lebens; sie artikulierten Selbstzweifel, bekundeten über Parteigrenzen hinweg hohen gegenseitigen Respekt, quer durch die Fraktionen.

Es war eine Lehrstunde des Parlaments - für die Abgeordneten selbst, und für die Menschen im Land. Kathrin Vogler von den Linken brachte den besonderen Charakter dieser Debatte auf den Punkt: "Wenn es ums Sterben geht, wird es einfach persönlich. Denn niemand von uns weiß, wie das geht - das Sterben."

Es hat einige Bewegung gegeben in den vergangenen Monaten. Landauf, landab ist bei öffentlichen Veranstaltungen weiter über Sterbehilfe diskutiert worden. Der Respekt, die Sensibilität für das Thema ist geblieben.

Endgültige Entscheidung fällt im Herbst

Am Donnerstag kommt es also zur ersten Beratung der vier Gesetzentwürfe sowie eines Antrags. Endgültig entscheiden will der Bundestag erst im Herbst.

Bekennende Christen, Atheisten, Lebensschützer, Menschen, deren Wertewelten in vielen Dingen krass auseinanderliegen - sie finden beim Thema Sterben zueinander. Und ebenso kommt es vor, dass sich Parteifreunde in unterschiedlichen Lagern positionieren.

Das gilt zum Beispiel für Peter Hintze und Hermann Gröhe von der CDU. Hintze berichtet immer wieder von Extremfällen, für die es eine Lösung geben müsse - für Kranke mit ALS-Lähmung, die beim Schlafen nicht einmal mehr die Augenlider schließen können, oder für Patienten mit Mundbodenkrebs, "der sich stinkend nach außen frisst".

Genau für diese Menschen will Hintze unter anderem zusammen mit Karl Lauterbach und Carola Reimann (beide SPD) eine Regelung im Zivilrecht einführen, die Ärzten, und nur ihnen, ausdrücklich die Suizidhilfe erlaubt. Das stößt nicht nur bei Ärzten auf Widerspruch, sondern auch bei Hintze-Parteifreund und Gesundheitsminister Hermann Gröhe.

Mehr Fürsorge statt mehr Strafrecht

Der unterstützt ebenso wie etwa die Bundesärztekammer oder die Deutsche PalliativStiftung eine überfraktionelle Initiative um Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD), die die geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe verbieten, Hilfe im privaten Kontext aber nicht sanktionieren wollen.

Mehr Fürsorge statt mehr Strafrecht fordert eine Gruppe um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke). Sterbehilfevereinen soll allerdings verboten werden, aus der Beihilfe zum Freitod Kapital zu schlagen.

Ein weiterer Entwurf gilt als chancenlos: Thomas Dörflinger und Patrick Sensburg (beide CDU) fordern ein Verbot jeglicher Form von Sterbehilfe. Und Katja Keul (Grüne) wendet sich in ihrem Antrag generell gegen neue Straftatbestände.

Ein Überblick über die Gesetzentwürfe und den Antrag

Verbot jeder Form von Sterbehilfe

Die beiden Unionspolitiker plädieren dafür, die „Teilnahme an einer Selbsttötung“ zu bestrafen: „Wer einen anderen dazu anstiftet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.“ Sie argumentieren, wenn die Mitwirkung am Suizid eines Dritten „risikolos“ sei, „steigt die Lebensbedrohung für alle schwachen Menschen signifikant“. Es gebe eine Regelungslücke, weil „Strafrechtler auf das ärztliche Standesrecht und ärztliche Standesvertreter auf das Strafrecht verweisen“. Entwurf Dörflinger/Sensburg (fst)

Geschäftsmäßige Sterbehilfe verbieten!

Drei Antragsgruppen, die im vergangenen November bei der Orientierungsdebatte noch getrennte Positionspapiere präsentiert haben, haben sich mit diesem Gesetzentwurf auf eine Linie verständigt. Der Entwurf sieht vor, die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung zu verbieten und mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe zu ahnden. Durch die organisierte Hilfe etwa durch Sterbehilfevereine drohe eine „gesellschaftliche Normalisierung, ein Gewöhnungseffekt“, heißt es.

In dem Gesetzentwurf wird versucht, organisierte Beihilfe zur Selbsttötung abzugrenzen von der Beihilfe im privaten Kontext. Den Initiatoren gehe es nicht darum, „die Suizidbeihilfe, die im Einzelfall in einer schwierigen Konfliktsituation gewährt wird“, zu „kriminalisieren“, heißt es. Damit grenzen sich die Abgeordneten von noch strengeren Entwürfen ab.

„Ein vollständiges strafbewehrtes Verbot der Beihilfe zum Suizid (...) ist politisch nicht gewollt und wäre mit den verfassungspolitischen Grundentscheidungen des Grundgesetzes kaum zu vereinbaren.“ Zur Begründung führen die Abgeordneten aus, die Zahl der geschäftsmäßig assistierten Suizide nehme „nach allen bekannten Daten zu“, Quellen dafür werden jedoch nicht genannt. Man könne nicht darauf vertrauen, dass Polizei- und Betäubungsmittelrecht sowie ärztliches Berufsrecht „einen hinreichend sicheren Rechtsrahmen bieten“ Entwurf Brand, Griese et alii (fst)

Kommerzielle Anbieter stoppen!

Ein Gruppe von Abgeordneten insbesondere der Linken und der Grünen möchte kommerzielle, das heißt auf Gewinn ausgerichtete Sterbehilfe verbieten. Hingegen sollen Sterbehilfevereine nicht verboten, sondern nur besser kontrolliert werden als bisher. In den Verbotsanträgen anderer Abgeordnetengruppen würden allenfalls „Gefahren für die Zukunft beschworen“.

Jedoch sei es „weder belegt noch plausibel“, dass Sterbehilfeorganisationen „den Willen der zu Beratenden hin zu einer vorschnellen Entscheidung oder überhaupt zum Suizid beeinflussen“. Ein Verbot der Suizidassistenz nehme Menschen, „die sich in großen Nöten befinden, die Chance, ein ergebnisoffenes Gespräch zu führen“, argumentieren die Antragsteller.

Geschäftsmäßige Hilfe zum Suizid darf laut Gesetzentwurf nur bei volljährigen sterbewilligen Personen erfolgen, die „freiverantwortlich“ entscheiden können. Ärzte, Mitarbeiter in Krankenhäusern oder einer Sterbehilfeorganisation dürften nur nach einem „persönlichen und umfassenden Beratungsgespräch“ Sterbehilfe leisten. Das Gespräch mit einem Arzt wird dabei als Pflicht statuiert.

Darin müssen dem Sterbewilligen „ergebnisoffen Möglichkeiten der medizinischen Behandlung und Alternativen zur Selbsttötung“ dargelegt werden. Paragraf 6 des Entwurfs deklariert Ärzte ausdrücklich als „Helfer zur Selbsttötung“. Diese Hilfe „kann eine ärztliche Aufgabe sein und darf Ärzten nicht untersagt werden. Dem entgegen stehende berufsständische Regelungen sind unwirksam“, heißt es. Entwurf Künast, Sitte et alii (fst)

Ärztliche Sterbehilfe legalisieren!

Der Entwurf eines Gesetzes „zur Regelung der ärztlich begleiteten Lebensbeendigung“ betont, dass die Palliativmedizin „in der Praxis in sehr wenigen Fällen an Grenzen“ stößt. Zugleich komme es angesichts des uneinheitlich gehandhabten ärztlichen Berufsrechts zu Rechtsunsicherheiten bei Ärzten und Patienten: „Schwerkranke Menschen in auswegloser Lage werden hierdurch zusätzlich belastet.“

Die Autoren schlagen vor, im Bürgerlichen Gesetzbuch einen Passus aufzunehmen, der es „Ärzten ausdrücklich ermöglicht, dem Wunsch des Patienten nach Hilfe bei der selbstvollzogenen Lebensbeendigung entsprechen zu können“. Erlaubt sein soll dies nur, „wenn der Patient volljährig und einwilligungsfähig ist, die ärztliche Hilfestellung freiwillig erfolgt, eine umfassende Beratung des Patienten stattgefunden hat und das Vorliegen einer unheilbaren, unumkehrbar zum Tod führenden Erkrankung (...) durch einen anderen Arzt bestätigt wurde“.

Das Beratungsgespräch habe eine „wichtige suizidpräventive Funktion“, heißt es. Der Staat müsse bei der Regelung der ärztlichen Suizidassistenz „ein besonders hohes Maß an Zurückhaltung walten lassen“. Es gehe darum, unterschiedlichen ethischen Orientierungen Geltung zu verschaffen und zugleich „Schutz vor übereilten und medizinisch nicht ausreichend fundierten Entscheidungen zu gewährleisten“. Entwurf Hintze, Lauterbach et alii (fst)

Strafrecht: deplatziert in Sterbehilfedebatte!

Der Antrag er grünen Abgeordneten Katja Keul wendet sich gegen die Schaffung neuer Straftatbestände bei der Beihilfe zur Selbsttötung. Katja Keul plädiert dafür, die gewerbliche und die geschäftsmäßige Sterbhilfe wie bisher straffrei zu belassen. Der Bundestag solle „bekräftigen, dass eine Änderung des Strafrechts (...) nicht erforderlich ist“. „Entscheidend“ komme es auf die Vorschriften im Betäubungsmittelrecht an. Diese hätten schon bisher verhindert, dass „Sterbehilfe zu einem Massenphänomen geworden ist“. Antrag Katja Keul (Grüne) (fst)

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