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Brandenburg will Lehren aus Kindergesundheitsbericht ziehen
Erstmals liegt für Brandenburg ein Kindergesundheitsbericht mit Daten von Krankenkassen und Kassenärztlicher Vereinigung vor. Er belegt deutliche soziale Unterschiede bei Gesundheitschancen.
Veröffentlicht:POTSDAM. Sozial benachteiligte Kinder in Brandenburg leiden deutlich häufiger an chronischen oder psychischen Erkrankungen als Kinder aus sozial besser gestellten Familien. Das zeigt der neue Kindergesundheitsbericht für Brandenburg. Das Land will das nun mit einem Maßnahmenbündel im Rahmen des Bündnisses Gesund Aufwachsen ändern.
"Es darf nicht vom sozialen Status der Familie, dem Geschlecht oder der Region im Land abhängen, welche gesundheitlichen Chancen ein Kind hat. Dagegen müssen wir angehen", so Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) anlässlich der landesweiten Kindergesundheitskonferenz, die Ende Mai in Potsdam getagt hat.
Die Ministerin fordert unter anderem mehr Präventionsangebote in den ländlichen Regionen, aber auch eine bessere Vernetzung der Angebote. "Um Kinderarmut und dadurch bedingte Gesundheitsrisiken bekämpfen zu können, müssen die verschiedenen Hilfen noch besser miteinander verzahnt werden, damit Beratung und Hilfen im Bedarfsfall frühzeitig, professionsübergreifend und koordiniert gelingen", so Golze weiter. Es sei nicht hinnehmbar, dass Kinder die Folgen sozialer Ungleichheit tragen, ohne dass sie selbst hierfür verantwortlich sind.
Jedes fünfte Kind armutsgefährdet
Dem Kindergesundheitsbericht zufolge ist in Brandenburg fast jedes fünfte Kind armutsgefährdet. In berlinfernen Landkreisen kommen mehr Schulanfänger aus Familien mit niedrigem Sozialstatus als im Speckgürtel. Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommen leiden dem Bericht zufolge wesentlich häufiger an Gesundheitsstörungen als Kinder aus gut gestellten Familien.
So war der Anteil der übergewichtigen Kinder aus Familien mit niedrigem Sozialstatus mit 7,3 Prozent bei den Schuleingangsuntersuchungen 2015 mehr als vier Mal so hoch wie bei Kindern aus Familien mit hohem Status (1,8 Prozent). Die Zahl chronischer Erkrankungen ist den Angaben zufolge zweieinhalb Mal so hoch. Auch der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen ist in Familien mit niedrigem Sozialstatus deutlich höher als in bessergestellten Familien. Zudem sind Alkohol-, Tabak- und Drogenkonsum und Übergewicht weiter verbreitet.
Für den Bericht wurden neben Daten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Brandenburg erstmals auch Daten der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg ausgewertet. Dadurch zeigte sich unter anderem, dass Brandenburger Kinder häufiger als Kinder aus anderen Bundesländern Ergotherapie, Physiotherapie oder Podologie erhalten.
Weniger Medikamente zur Behandlung?
Deutlich wurde aber auch, dass Brandenburger Ärzte seltener als im Bundesdurchschnitt Arzneimittel zur Behandlung von Kindern mit einer hyperkinetischen Störung einsetzen, wobei der Anteil der Kinder mit einer solchen Diagnose sich etwa auf dem Niveau des Bundesdurchschnitts (4,2 Prozent) bewegt.
Der Bericht legt Schwerpunkte auf die Gesundheit rund um die Geburt und Mundgesundheit und stellt auch kleinräumige Analysen auf. Die Landesgesundheitskonferenz hat auf der Basis dieser Daten elf Maßnahmen im Rahmen des "Bündnis Gesund Aufwachsen in Brandenburg" beschlossen.
In diesem Bündnis sind über 200 staatliche und nichtstaatliche Akteure zusammengeschlossen. Unter anderem sollen die Informationen über Impfungen verbessert und das Projekt Schulgesundheitsfachkräfte weiter geführt werden.
Zudem zielen viele Beschlüsse auf eine engere Vernetzung zwischen verschiedenen Einrichtungen und Hilfesystemen für Kinder und Jugendliche. So will das Netzwerk Gesunde Kinder enger mit Krankenhäusern, Krankenkassen und niedergelassenen Ärzten zusammenarbeiten. Auf diese Weise sollen kleinräumige Präventionsketten entstehen.