Nach Johnson-Wahl

Britische Ärzte sind alarmiert

Mit Boris Johnson führt nun ein Hardliner und bekennender EU-Gegner Großbritannien. Ärzte auf der Insel warnen vor einem No-Deal-Brexit, der „Gift für das Gesundheitswesen“ wäre.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler Veröffentlicht:
Boris Johnson hat das Rennen um die Nachfolge von Premierministerin Theresa May für sich entschieden.

Boris Johnson hat das Rennen um die Nachfolge von Premierministerin Theresa May für sich entschieden.

© Victoria Jones/PA Wire/dpa

LONDON. Ärztliche Berufsorganisationen und Patientenverbände in Großbritannien haben den neuen britischen Regierungschef Boris Johnson eindringlich davor gewarnt, einen No-Deal-Brexit anzusteuern.

Ein chaotisches Ausscheiden Großbritanniens aus der EU sei „Gift für das Gesundheitswesen“ und müsse „in jedem Fall verhindert“ werden, hieß es am Dienstag in London.

Die regierenden konservativen Tories hatten am Dienstag wie erwartet den ehemaligen Außenminister Boris Johnson zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Johnson setzte sich deutlich mit 92.153 Stimmen gegen seinen Rivalen Jeremy Hunt durch, der 46.656 Stimmen erhielt.

Bekennender EU-Gegner

Johnson gilt als harter EU-Gegner. Einer der Hauptgründe, warum Johnson mit deutlicher Mehrheit gewählt wurde, ist sein Versprechen, Großbritannien Ende Oktober in jedem Fall aus der EU zu führen. Notfalls auch ohne ein Abkommen.

„Ein No-Deal wäre eine Katastrophe für Kliniken und Arztpraxen und für das Gesundheitswesen“, sagte ein Sprecher des britischen Ärzteverbandes (British Medical Association, BMA) am Dienstag der „Ärzte Zeitung“. Bis Oktober bleibe „nicht viel Zeit“, um noch eine Einigung mit der EU über die Austrittsmodalitäten zu erreichen, die auch für das Londoner Unterhaus akzeptabel seien.

Andere Berufsverbände wie der britische Hausärzteverband (Royal College of General Practitioners, RCGP) äußerten sich ähnlich und warnten ebenfalls vor einem chaotischen Brexit Ende Oktober.

Ich werde den Brexit liefern, das Land einigen, und Jeremy Corbyn besiegen.

Boris Johnson Neuer britischer Premierminister, nach seiner Wahl zum Vorsitzenden der Tories am Dienstag mit Blick auf mögliche Neuwahlen und seinen Rivalen Jeremy Corbyn von der Labour Party.

Großbritanniens staatlicher National Health Service (NHS) vertraut seit vielen Jahrzehnten auf qualifizierte Ärzte und andere Gesundheitsberufe aus dem Ausland. Besonders im stationären Sektor, aber auch in der Allgemeinmedizin würde das Gesundheitswesen ohne EU-Einwanderung nicht funktionieren.

Seit dem Brexit-Votum 2016 haben tausende Ärzte und Pflegekräfte das Land verlassen. Zu unsicher scheint die Zukunft, zu wage die beruflichen Perspektiven.

„Ich weiß nicht, ob ich in einem Land, das mehr und mehr ausländerfeindlich wird“, langfristig noch leben und arbeiten möchte, sagt die Londoner Krankenschwester Romina Carlucci. Die 36-jährige kam vor elf Jahren aus Sizilien nach London, um hier als Pflegekraft im NHS zu arbeiten. Sie wird im September das Land verlassen.

Brexit lähmt britische Gesundheitspolitik

Kein Einzelfall, so die Krankenpflegegewerkschaft Royal College of Nursing (RCN). In den letzten drei Jahren hätten mehr als 10.000 qualifizierte Pfleger das Land verlassen, ohne dass für sie ein Ersatz gefunden werden konnte. Das merken britische Patienten: Wartezeiten werden länger, das Klinikpersonal wirkt oft gestresst und überarbeitet.

Zudem hat der Brexit auch die britische Gesundheitspolitik in den vergangenen drei Jahren stark gelähmt. Viele Gesundheitsreformen sind seither liegen geblieben. Der neue Premier Johnson wird also auch gesundheitspolitisch alle Hände voll zu tun haben.

Lesen Sie dazu auch: Yeti statt Maybot: Boris Johnson wird neuer Regierungschef der Briten Kommentar: Ein neuer Ton für Britannien

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