COVID-19-Pandemie
Bund hofft auf breite Nutzung neuer Corona-App
Seit Dienstagmorgen steht die Corona-Warn-App in den App-Stores bereit. Gesundheitsminister Spahn verbindet damit eine Hoffnung – und warnt zugleich vor überzogenen Erwartungen.
Veröffentlicht:Berlin. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat für die Nutzung der neuen Corona-Warn-App geworben. Die App sei ein wichtiges Instrument, um die COVID-19-Pandemie einzudämmen und eine mögliche zweite Welle von „vorneherein“ zu meiden. „Das geht am besten, wenn viele mitmachen. Das Virus können wir nur im Teamspiel bekämpfen“, sagte Spahn bei der Vorstellung der Applikation am Dienstagvormittag.
Die App ist seit dem frühen Dienstagmorgen in den App-Stores von Google und Apple kostenlos verfügbar. In kurzer Zeit hatte es den Angaben zufolge weit über 100.000 Downloads der App gegeben. Die Applikation gibt es in deutscher und in englischer Sprache. Weitere Sprachvarianten sind geplant.
Die App kann messen, ob sich Handynutzer länger als 15 Minuten näher als zwei Meter gekommen sind. Ist einer der Nutzer positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden und hat er dies in der App eingetragen, meldet die App anderen Nutzern, dass sie Kontakt zu einem Infizierten hatten. Von Industrieseite waren die Deutsche Telekom und SAP an der Entwicklung beteiligt.
Die App stelle kein „Allheilmittel“ im Kampf gegen COVID-19 dar, betonte Spahn. Es sei weiter wichtig, Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten sowie Schutzmasken zu tragen.
Braun: Datenschutz und IT-Sicherheit gewährleistet
Ähnlich äußerte sich der Chef des Robert Koch-Instituts (RKI), Professor Lothar Wieler. Die App sei ein „weiteres Werkzeug“ im Kampf gegen die Pandemie. Abstandsgebote und Hygieneregeln müssten weiter eingehalten werden. Das RKI hat wissenschaftliche Parameter für die App erarbeitet und gibt die App heraus.
Bislang habe Deutschland das Infektionsgeschehen rund um COVID-19 gut in den Griff bekommen. Am Dienstag seien knapp 380 neue Infektionsfälle gemeldet geworden.
Auch die Amtsärzte in den Gesundheitsämtern hatten zuletzt wiederholt gewarnt, die App sei nur eine Ergänzung. Bereits Mitte Mai sagte die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärzte im öffentlichen Gesundheitsdienst (BVÖGD), Dr. Ute Teichert“ im „ÄrzteTag“-Podcast, die App werde „zu mehr Aufwand für die Gesundheitsämter führen“.
Herunterladen und Nutzen der App sei für den Einzelnen nur ein kleiner Schritt, aber ein „großer Schritt für die Pandemiebekämpfung“, sagte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU). Dabei kämen Datenschutz sowie ein „hoher IT-Sicherheitsstandard“ zum Tragen. Braun rief die Bürger auf, die Anwendung zu installieren. Sie biete einen „echten Mehrwert“.
Kein flankierendes Gesetz geplant
Jeder Bundesbürger entscheide selber, ob er die App nutze und was mit seien Daten geschehe, betonte Justiz- und Verbraucherschutzministerin Christine Lambrecht (SPD). Die Einhaltung der „goldenen Regeln“ des Datenschutzes und das Gebot der Freiwilligkeit seien „wesentliche Voraussetzungen“, damit die App von vielen genutzt werde. „Wir reden hier über sehr sensible Fragen.“ Es brauche dafür aber keine gesetzliche Grundlage, sagte Lambrecht. Sie glaube nicht, dass Bürger zur Nutzung der App genötigt würden und beispielsweise ein Restaurantbetreiber jemandem, der die App nicht nutze, deshalb den Zugang verwehre. Die Lebenswirklichkeit sehe anders aus.
Die App erfülle höchste Anforderungen an den Datenschutz, betonte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Die Anwendung gehöre zum kleinen „Ein-mal-eins“ der Pandemiebekämpfung. „Ich halte das für einen großen Erfolg.“
Opposition fordert eigenes Gesetz
Zuvor hatten die Grünen die Bundesregierung aufgerufen, die App mit einem Gesetz zu flankieren. Deren Bundestagsfraktion hat dazu einen eigenen Entwurf vorgelegt. Auch die Linksfraktion mahnte gesetzliche Regelungen an. „Sensible Gesundheitsdaten brauchen besonderen gesetzlichen Schutz“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Achim Kessler, am Dienstag.
Die Auseinandersetzungen um die Corona-App im Vorfeld der Einführung hätten viel Zeit und Vertrauen in der Bevölkerung gekostet, sagte die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, Bärbel Bas, am Dienstag. Diese Zeit wolle man nun aufholen, weil die App „ein kleiner Baustein ist, der helfen kann.“
Nach wie vor sei die epidemische Lage nicht beendet, so Bas. Es sei schade, dass es nicht gelungen sei, sich auf eine europaweit funktionierende App zu einigen.
„Deutschland wird die technisch ausgereifteste Corona-App mit den höchsten Datenschutzstandards weltweit zum Download bereitstellen. Es ist gut, dass wir jetzt eine App mit dezentralem Ansatz haben“, kommentierte der digitalpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Jens Zimmermann. „Zwangsnutzungsideen“, wie sie aus Teilen der Unionsfraktion zu hören seien, verböten sich.
Kassen loben und warnen
Mit der Corona-Warn-App könnten Infektionsketten digital nachverfolgt werden, sagte die Vorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek), Ulrike Elsner. Wie ein Nutzer auf die Information reagiere, sich in der Nähe eines Infizierten aufgehalten zu haben, ob er sich an den Hausarzt wende, an das Gesundheitsamt oder gar nichts unternehme, bleibe seine freie Entscheidung.
Der Vorstandschef des AOK-Bundesverbands, Martin Litsch, wies darauf hin, dass Fehlalarme durch die neue App nicht ausgeschlossen seien. Zudem könne man auch Kontakt zu Infizierten haben, ohne eine Warnmeldung zu bekommen – etwa, weil die infizierte Person die App nicht heruntergeladen oder ihre Bluetooth-Funktion nicht aktiviert habe.