Versorgung auf dem Land
Chef des Gesundheitsausschusses: „Alles wird anders und besser“
Die Versorgung auf dem Land lässt sich nur mit mehr Digitalisierung, Kooperation von Kliniken und Praxen sowie neuen Vergütungsmodellen sicherstellen, sind sich Experten sicher.
Veröffentlicht:Potsdam. Wirtschaftliche Tragfähigkeit, Qualitätsstandards, Personalknappheit – das Spannungsfeld für Versorgungsangebote im ländlichen Raum ist geladen. Konzepte und Ideen, wie dem begegnet werden könnte, gibt es zwar. Das Webgespräch zur „Ambulantisierung im ländlichen Raum“ der AOK Nordost zeigte aber, wie schwer diese umzusetzen sind und wie unterschiedlich Experten die Perspektiven bewerten.
„Alles wird anders und besser“: Für Erwin Rüddel (CDU), den Vorsitzenden des Bundestagsgesundheitsausschusses, steht außer Zweifel, dass der Wandel der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum mit Hilfe von Digitalisierung, weiterer Spezialisierung und mehr Zusammenarbeit über die Sektoren hinweg gelingen wird.
Beim KV-Vorsitzenden aus Brandenburg. Dr. Peter Noack, hörte sich der Optimismus etwas moderater an. „Damit alles gut bleibt, muss sich etwas ändern“, sagte Noack. Jörg Heydorn (SPD), Vorsitzender der Enquetekommission des Landtages zur Zukunft der gesundheitlichen Versorgung in Mecklenburg-Vorpommern, sagte schlicht und einfach: „So geht es nicht weiter.“
Veränderungen werden genau registriert
In ihren Ausführungen zeigten die drei dann aber, dass sie in ihrer Problemanalyse nicht weit auseinander liegen und Schnittmengen mit Daniela Teichert, der Vorstandsvorsitzenden der AOK Nordost, haben. Sie nimmt in ihren Regionen (Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern) wahr, dass die Versicherten jede Veränderung in den Versorgungsangeboten vor Ort aufmerksam registrieren. Für alle künftigen Konzepte gilt aus ihrer Sicht, dass diese nicht von oben übergestülpt werden können, sondern mit den Akteuren vor Ort gemeinsam erarbeitet werden müssen. Sie erkennt dabei zumindest die Bereitschaft der Akteure, Versorgungsketten übergreifend zu denken.
Aber gelingt das auch? In Templin etwa könnte ein solches Beispiel Realität werden. Noack berichtete von einem sektorenübergreifenden Zentrum, das dort entstehen könnte. Konkrete Fragen der Zusammenarbeit etwa in Form von Behandlungspfaden wurden in der Uckermark bereits gelöst, nun muss eine Entscheidung zur Trägerschaft fallen.
Auch die KV wird sich laut Noack mit dieser Frage in der Vertreterversammlung auseinandersetzen. Dass man im Norden Brandenburgs überhaupt so weit gekommen ist, dass man über die Trägerschaft eines ambulant-stationären Zentrums spricht, erfordert laut Noack Offenheit bei allen Beteiligten für Veränderungen.
Alle Beteiligten in Reformprozesse einbeziehen
Auf die hofft auch Rüddel. Er setzt auf Veränderungen insbesondere an den Standorten in Deutschland, an denen kleine Kliniken ein weitgehend auf stationäre Versorgung ausgerichtetes Angebot vorhalten. „Alle wissen, es werden nicht alle Kliniken bleiben“, sagte Rüddel. Also müsse vor Ort über einen Modernisierungsprozess gesprochen werden, in den alle Beteiligten einbezogen werden. Rüddel stört, dass diese Gespräche in aller Regel erst geführt werden, wenn schon mit der Schließung von Angeboten gedroht werde. Besser seien vorbeugend erarbeitete Konzepte, die bei der Überwindung der Sektorengrenzen helfen. Wobei Rüddel einräumte, dass die Rahmenbedingungen, die Politik dafür zur Verfügung stellt, eher hemmen als nutzen.
Als Beispiel führte der Politiker aus Rheinland-Pfalz die ärztliche Honorierung an: „Es müssen Finanzierungslösungen dafür gefunden werden, dass ein Arzt nach Bedarf ambulant und stationär arbeiten kann.“
„Immer weiter so“ ist keine Lösung
Dass die Politik bislang nicht immer hilfreich war, wenn es um Strukturveränderungen im Gesundheitswesen geht, bestätigte auch Heydorn. Politiker senden nach seiner Wahrnehmung häufig das Signal „Macht Euch keine Sorgen, wir kümmern uns“ an die Bevölkerung aus – um dann Strukturen zu erhalten, statt sie sinnvoll zu ändern. Für ihn dagegen steht fest, dass Veränderungen auch einen Rückbau beinhalten müssen.
Um dabei Proteste der Bevölkerung entgegenzuwirken, braucht es aus seiner Sicht gemeinsame Konzepte von Kostenträgern und Kommunen mit den Akteuren vor Ort. Dazu gehörten auch Ideen zur Mobilität: Wenn ein Versorgungsangebot künftig weiter entfernt liegt, müsse Politik für die Erreichbarkeit sorgen.