Medikamentenverkauf fällt weg
Chinas Krankenhäuser verlieren Einnahmequelle
Eine staatliche Grund-Krankenversicherung, flächendeckende Versorgung und mehr: Die Regierung in Peking arbeitet auf Hochdruck an einer Gesundheitsreform. Krankenhäuser könnten die Verlierer des neuen Konzepts sein.
Veröffentlicht:PEKING. China ist seit geraumer Zeit dabei, sein Gesundheitssystem neu auszurichten. So soll zum Beispiel auf Basis des am 6. April 2009 veröffentlichten Masterplans zur Reform des chinesischen Gesundheitswesens bis 2020 eine flächendeckende medizinische Grundversorgung sichergestellt werden. Außerdem gibt es mit dem im Jahre 2008 implementierten Programm "Healthy China" die Bestrebung, ebenfalls bis 2020 eine staatliche Grund-Krankenversicherung für die gesamte Bevölkerung zu gewährleisten.
Nun könnte eine Existenzgrundlage für die meisten chinesischen Krankenhäuser wegfallen. Denn: Anders als etwa im deutschen Gesundheitswesen werden Arzneimittel in China mehrheitlich in Krankenhäusern verschrieben und verkauft. Doch die chinesische Regierung beabsichtigt, den Arzneimittelverkauf künftig von den Krankenhäusern abzukoppeln. Damit könnten Kliniken ihre Gesundheitsleistungen durch den Arzneimittelverkauf nicht mehr subventionieren.
Diese Reform des Gesundheitsmarkts will Chinas Regierung im Rahmen des 13. Fünfjahresplans umsetzen, der ab 2016 greifen soll. Die Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants hat die möglichen Auswirkungen in ihrer neuen Studie "Cancellation of drug sale subsidization for medical services and separation of drug sales from hospitals" analysiert.
Krankenkassen geraten in Schieflage
Ende 2013 lag der Anteil verschreibungspflichtiger Medikamente am gesamten chinesischen Arzneimittelmarkt laut Studie bei rund 85 Prozent. Davon seien 92 Prozent über Krankenhäuser verkauft worden. Die Distribution von Medikamenten erfolge über lokale Zwischenhändler an die Krankenhäuser, die die Medikamente mit einem Aufschlag von 15 Prozent an die Patienten weiterverkauften. Für chinesische Krankenhäuser sei der Verkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln daher eine ihrer wichtigsten Einnahmequellen.
"Ein öffentliches Krankenhaus mittlerer Größe macht jährlich durchschnittlich 40 Prozent seiner Umsätze mit verschreibungspflichtigen Medikamenten", sagt Berger-Partner Morris Hosseini. Wie die deutsche Außenhandelsagentur Germany Trade & Invest (gtai) berichtet, gehen Branchenkenner für einige Krankenhäuser sogar von einem Anteil von fast 90 Prozent aus. Seit Mai dieses Jahren sind laut gtai in einem ersten Schritt 100 staatliche Krankenhäuser um die lukrative Erlösquelle gebracht worden.
"Dagegen sind die Etats der chinesischen Krankenkassen stark belastet, denn die Ausgaben für Medikamente liegen heute schon bei einem Drittel der Gesamtausgaben - Tendenz weiterhin steigend", verdeutlicht Berger-Experte Hosseini. So gerate das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben der Krankenkassen im Reich der Mitte seit Jahren immer stärker in Schieflage: Zwischen 2008 und 2013 seien die jährlichen Ausgaben der Krankenkassen durchschnittlich um 30 bis 35 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum seien aber die Einnahmen nur um 22 bis 30 Prozent gewachsen.
Liberalisierung birgt Potenzial für Pharma
Um dieser Entwicklung ein Ende zu bereiten, setze Peking auf eine Liberalisierung des Gesundheitsmarkts - eine Chance für internationale Pharmaunternehmen. Diese hätten künftig einen erheblichen Vorteil: Sie könnten ihre Arzneien direkt in China vertreiben. Zwischenhändler würden entfallen, und Pharmaunternehmen könnten die Preise ihrer Arzneimittel selbst festlegen. Dadurch seien höhere Margen möglich.
Herstellern von Medizinprodukten und -technik raten die Studienautoren, ihr Produktportfolio weiter auszubauen und zusätzliche Leistungen wie Präventionsmaßnahmen oder Krankenpflege anzubieten. Außerdem sollten sie ihre Geschäftsbeziehungen zu Kliniken stärken.
Nach Marktbeobachtungen der gtai wird es für Importprodukte aber zunehmend schwieriger auf dem chinesischen Markt. Eine Sättigung im High-End-Bereich, "Buy local"-Vorgaben für staatliche Krankenhäuser, erhöhte und kostenintensivere Zulassungsanforderungen sowie eine schnell wachsende lokale Konkurrenz könnten auch 2015 die Zuwächse schmälern, heißt es.
Für den Apothekensektor prognostiziert die Berger-Studie, dass deren Bedeutung auf dem chinesischen Markt stark zunehmen werde. Durch die Eröffnung weiterer Filialen sowie durch den Online-Handel würden sie schneller wachsen.