„Mehr als einen Piks“

Corona-Impfen in Apotheken ist hoch umstritten

Corona-Impfungen in Apotheken und bei Zahnärzten: So wollen die Länder die Immunisierung der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2 vorantreiben. Schnelle Effekte sind davon jedoch nicht zu erwarten.

Veröffentlicht:
Mit Grippeimpfung kennt sich der ein oder andere Apotheker schon aus. Nun soll die Branche nach dem Willen der Länder-Gesundheitsminister auch bei der COVID-Prävention mitmachen.

Mit Grippeimpfung kennt sich der ein oder andere Apotheker schon aus. Nun soll die Branche nach dem Willen der Länder-Gesundheitsminister auch bei der COVID-Prävention mitmachen.

© David Inderlied / dpa / picture alliance

Berlin. Von den bundesweit knapp 53.000 in öffentlichen Apotheken tätigen Pharmazeuten haben inzwischen rund 2600 eine Impf-Schulung durchlaufen, wie sie Voraussetzung für eine Teilnahme an Modellversuchen zur Grippeimpfung in Offizinen ist. Das hat die Präsidentin des Branchendachverbands ABDA, Gabriele Regina Overwiening, mitgeteilt.

Am Montag hatten die Länder-Gesundheitsminister per Beschluss den Bundestag aufgefordert, Impfungen in Apotheken und bei Zahnärzten zu ermöglichen. Der Vorschlag der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) lautet, dafür den Paragrafen zu regionalen Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung in Apotheken zu erweitern. Voraussetzung sei, dass den Apotheken ausreichend Impfstoff zur Verfügung gestellt werden könne.

Lesen sie auch

Apotheker verweigern sich nicht

Die Apotheker würden sich nicht verweigern, hatte Overwiening bereits zuvor angekündigt: „Wenn der Gesetzgeber das will und Verstärkung an der Front der Impfenden gefordert ist, könnten wir Auffrischungsimpfungen in Apotheken ermöglichen.“ Übertriebene Erwartungen ans Impfen in Apotheken wolle sie allerdings nicht wecken.

Nur indirekt geht die Vorstandsriege der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf die GMK-Forderung nach einer Einbindung der Apotheken in die Impfkampagne ein. „Beim Impfen geht es um mehr als den Piks“, heißt es in einer Erklärung von Dr. Andreas Gassen, Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Thomas Kriedel von Dienstag.

Eine Impfung umfasse ebenso Impfanamnese, Aufklärung, Ausschluss von akuten Erkrankungen und Kontraindikationen sowie bei bestehenden Erkrankungen die Bewertung, ob eine Impfung durchgeführt werden könne, erläuterte KBV-Vize Hofmeister.

Lesen sie auch

Da Impfen eine originär ärztliche Aufgabe sei, sei die Intention der Gesundheitsminister nachzuempfinden, auch Zahnärzte einzubinden. Sie verfügten über die notwendige ärztliche Kompetenz, hob KBV-Chef Gassen hervor.

Der Chef des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, sagte der „Ärzte Zeitung“ am Dienstag: „Ehrlich gesagt: Mir fehlt die Fantasie, was ein Zahnarzt vom Impfen versteht. Noch mehr fehlt mir die Fantasie, was ein Apotheker davon versteht.“ Beide müssten darüber hinaus die Logistik hinter dem Impfen hinkriegen. „Da sage ich dann nur: Viel Spaß damit!“

„Kinder nicht das Hauptproblem“

Zur Impfung der 5- bis 11-Jährigen erklärte Fischbach, der BVKJ bewerbe das Impfen in dieser Altersgruppe derzeit nicht aktiv. Kinder seien nicht das Hauptproblem in der Pandemie. Schwere Verläufe seien bei ihnen absolut selten. „Im Grunde will man doch die Kinder jetzt impfen, um Schulen und Kitas offen zu halten. Die Politik traut sich offenbar nicht an die zehn bis 15 Millionen notorischen Impfverweigerer unter den Erwachsenen heran.“

Die GMK hatte die Ständige Impfkommission (STIKO) zuvor gebeten, zeitnah eine Empfehlung für die Kinderimpfungen auszusprechen. Die GMK verweist darauf, dass eine Impfung von Kindern vor der Auslieferung des Kinderimpfstoffs auf eigene Verantwortung und Entscheidung sowie nach einer individuellen Beratung durch den niedergelassenen Arzt erfolgt. Eine Haftungsübernahme sei in diesem Fall durch das Infektionsschutzgesetz nicht gedeckt, heißt es in dem Beschluss von Montag.

Impfstraßen für Familien

Nachdem die Europäische Arzneimittel-Agentur einen Corona-Impfstoff für Kinder zugelassen hat, fordern die Gesundheitsminister zudem die EU-Kommission auf, die Auslieferung des neuen Kinderimpfstoffs am besten noch vor dem angekündigten Termin am 20. Dezember einzuleiten. Zudem sollen Impfstraßen für Familien in den Impfzentren eingerichtet werden.

Das Verschieben elektiver Eingriffe in den Krankenhäusern ist Gegenstand eines weiteren Beschlusses der GMK. So sollen vor allem auf den Intensivstationen Kapazitäten für die Behandlung von COVID-19-Patienten geschaffen werden. Dies soll vor allem für die Länder gelten, aus denen bereits Patienten verlegt werden müssen. Die Länder haben den Bund aufgefordert, wie 2020 Ausgleichszahlungen für betroffene Krankenhäuser vorzusehen. (af/cw/hom)

Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Frage der Woche

Ampel-Aus – um welches Gesetzesvorhaben tut es Ihnen besonders leid?

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

© Viacheslav Yakobchuk / AdobeStock (Symbolbild mit Fotomodellen)

Springer Pflege

Umgang mit Multimorbidität in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
COVID-19 in der Langzeitpflege

© Kzenon / stock.adobe.com

Springer Pflege

COVID-19 in der Langzeitpflege

Anzeige | Pfizer Pharma GmbH
Kommentare
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

SUMMIT-Studie

Tirzepatid auch erfolgreich bei Herzinsuffizienz-Therapie

Lesetipps
Eine schwangere Frau sitzt auf dem Fussboden ihres Wohnzimmers und liest die Packungsbeilage eines Medikaments. 

Usage: Online (20210812)

© Christin Klose / dpa Themendiens

Neurologische Entwicklungsstörungen

Epilepsie in der Schwangerschaft: Start mit Lamotrigin empfohlen

Ordner auf dem Bildschirm

© envfx / stock.adobe.com

Forschungsbürokratie darf nicht ausufern

Krebsmedizin will neuen Digitalisierungsimpuls setzen

Die Freude, den Krebs besiegt zu haben, kann später getrübt werden. Nicht selten erleben ehemalige Patienten Diskriminierungen.

© picture alliance / Westend61 | ANTHONY PHOTOGRAPHY

Tagung der Vision Zero Oncology

Krebs nach Heilung: Jung, genesen, diskriminiert