„Mehr als einen Piks“
Corona-Impfen in Apotheken ist hoch umstritten
Corona-Impfungen in Apotheken und bei Zahnärzten: So wollen die Länder die Immunisierung der Bevölkerung gegen SARS-CoV-2 vorantreiben. Schnelle Effekte sind davon jedoch nicht zu erwarten.
Veröffentlicht:Berlin. Von den bundesweit knapp 53.000 in öffentlichen Apotheken tätigen Pharmazeuten haben inzwischen rund 2600 eine Impf-Schulung durchlaufen, wie sie Voraussetzung für eine Teilnahme an Modellversuchen zur Grippeimpfung in Offizinen ist. Das hat die Präsidentin des Branchendachverbands ABDA, Gabriele Regina Overwiening, mitgeteilt.
Am Montag hatten die Länder-Gesundheitsminister per Beschluss den Bundestag aufgefordert, Impfungen in Apotheken und bei Zahnärzten zu ermöglichen. Der Vorschlag der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) lautet, dafür den Paragrafen zu regionalen Modellvorhaben zur Grippeschutzimpfung in Apotheken zu erweitern. Voraussetzung sei, dass den Apotheken ausreichend Impfstoff zur Verfügung gestellt werden könne.
Apotheker verweigern sich nicht
Die Apotheker würden sich nicht verweigern, hatte Overwiening bereits zuvor angekündigt: „Wenn der Gesetzgeber das will und Verstärkung an der Front der Impfenden gefordert ist, könnten wir Auffrischungsimpfungen in Apotheken ermöglichen.“ Übertriebene Erwartungen ans Impfen in Apotheken wolle sie allerdings nicht wecken.
Nur indirekt geht die Vorstandsriege der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf die GMK-Forderung nach einer Einbindung der Apotheken in die Impfkampagne ein. „Beim Impfen geht es um mehr als den Piks“, heißt es in einer Erklärung von Dr. Andreas Gassen, Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Thomas Kriedel von Dienstag.
Eine Impfung umfasse ebenso Impfanamnese, Aufklärung, Ausschluss von akuten Erkrankungen und Kontraindikationen sowie bei bestehenden Erkrankungen die Bewertung, ob eine Impfung durchgeführt werden könne, erläuterte KBV-Vize Hofmeister.
Chronik der Entwicklung und Ereignisse
Alles zur Corona-Impfung
Da Impfen eine originär ärztliche Aufgabe sei, sei die Intention der Gesundheitsminister nachzuempfinden, auch Zahnärzte einzubinden. Sie verfügten über die notwendige ärztliche Kompetenz, hob KBV-Chef Gassen hervor.
Der Chef des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, sagte der „Ärzte Zeitung“ am Dienstag: „Ehrlich gesagt: Mir fehlt die Fantasie, was ein Zahnarzt vom Impfen versteht. Noch mehr fehlt mir die Fantasie, was ein Apotheker davon versteht.“ Beide müssten darüber hinaus die Logistik hinter dem Impfen hinkriegen. „Da sage ich dann nur: Viel Spaß damit!“
„Kinder nicht das Hauptproblem“
Zur Impfung der 5- bis 11-Jährigen erklärte Fischbach, der BVKJ bewerbe das Impfen in dieser Altersgruppe derzeit nicht aktiv. Kinder seien nicht das Hauptproblem in der Pandemie. Schwere Verläufe seien bei ihnen absolut selten. „Im Grunde will man doch die Kinder jetzt impfen, um Schulen und Kitas offen zu halten. Die Politik traut sich offenbar nicht an die zehn bis 15 Millionen notorischen Impfverweigerer unter den Erwachsenen heran.“
Die GMK hatte die Ständige Impfkommission (STIKO) zuvor gebeten, zeitnah eine Empfehlung für die Kinderimpfungen auszusprechen. Die GMK verweist darauf, dass eine Impfung von Kindern vor der Auslieferung des Kinderimpfstoffs auf eigene Verantwortung und Entscheidung sowie nach einer individuellen Beratung durch den niedergelassenen Arzt erfolgt. Eine Haftungsübernahme sei in diesem Fall durch das Infektionsschutzgesetz nicht gedeckt, heißt es in dem Beschluss von Montag.
Impfstraßen für Familien
Nachdem die Europäische Arzneimittel-Agentur einen Corona-Impfstoff für Kinder zugelassen hat, fordern die Gesundheitsminister zudem die EU-Kommission auf, die Auslieferung des neuen Kinderimpfstoffs am besten noch vor dem angekündigten Termin am 20. Dezember einzuleiten. Zudem sollen Impfstraßen für Familien in den Impfzentren eingerichtet werden.
Das Verschieben elektiver Eingriffe in den Krankenhäusern ist Gegenstand eines weiteren Beschlusses der GMK. So sollen vor allem auf den Intensivstationen Kapazitäten für die Behandlung von COVID-19-Patienten geschaffen werden. Dies soll vor allem für die Länder gelten, aus denen bereits Patienten verlegt werden müssen. Die Länder haben den Bund aufgefordert, wie 2020 Ausgleichszahlungen für betroffene Krankenhäuser vorzusehen. (af/cw/hom)