Ampel-Debatte
Corona-Impfpflicht für Ärzte ante portas?
Die Rufe nach einer Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen werden in Politik und bei Standesvertretern lauter. Wenn die Pflicht zum Impfen kommt, dann wohl auch für Ärzte.
Veröffentlicht:Berlin. Eine berufsbezogene Corona-Impfpflicht für die Beschäftigen in den rund 18.000 Alten- und Pflegeheimen oder medizinisches Fachpersonal rückt näher. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sagte bei einer Veranstaltung der „Süddeutschen Zeitung“ am Montagabend in Berlin, er halte es für richtig, dass eine Debatte darüber begonnen habe.
Allerdings sei eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen nur unter der Prämisse möglich, „dass viele mitmachen wollen“. Wenn dieser Konsens erreicht sei, fände er den Schritt „gut“, so Scholz.
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, warnte am Dienstag im ARD-„Mittagsmagazin“ vor einem Hauruck-Verfahren. „Das wollen wir in Ruhe diskutieren.“
Nach den Worten des Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, wolle man „in den nächsten Wochen“ entscheiden. „Wir werden uns der Frage der Impfpflicht für besondere Einrichtungen widmen.“ Da sie aber auf ein Berufsverbot für Ungeimpfte hinauslaufe, sei eine sorgfältige Abwägung mit dem Gesundheitsschutz zu treffen.
Noch keine Ampel-Übereinkunft
Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt hatte zuvor erklärt, die mutmaßlichen Ampel-Koalitionäre wollten über eine Impfpflicht etwa für Pflegebeschäftigte beraten. Die Impfpflicht solle aber nicht Gegenstand der geplanten Änderungen der Ampel-Fraktionen am Infektionsschutzgesetz sein. Der Gesetzentwurf soll diese Woche von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.
Dass es bereits eine Ampel-Einigung zur Impfpflicht gebe, dementierten die Grünen umgehend. Die Liberalen stehen dem Vorhaben skeptisch gegenüber. FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus, hatte betont, Aufklärung sei wichtiger. Es bestehe die Gefahr, dass Pflegebeschäftigte bei einer Impfpflicht den Job an den Nagel hängen würden.
Frankreich hatte im September eine Impfpflicht etwa für Ärzte, Pfleger, MFA oder Feuerwehrleute eingeführt. Bei Zuwiderhandlung drohen den Betroffenen Gehaltseinbußen.
Verbände: Ethikrat-Stellungnahme „hilfreich“
Der Ethikrat hatte der Bundesregierung empfohlen, die Einführung einer berufsspezifischen Impfpflicht „zum Schutz besonders vulnerabler Menschen“ in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zu prüfen. Gleichzeitig seien Informations- und Aufklärungsangebote rund ums Thema Impfen auszubauen, so die Ethik-Professoren.
Bundesärztekammer, Deutscher Pflegerat, Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), Bundespflegekammer sowie der Verband medizinischer Fachangestellter stufen die Stellungnahme des Ethikrats als hilfreich ein. Sollte die Politik auf dieser Grundlage eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Einrichtungen und Berufsgruppen einführen, werde man diesen Schritt unterstützen und sich an der Umsetzung beteiligen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.
DKG-Vorstandschef Dr. Gerald Gaß sagte der „Ärzte Zeitung“ am Dienstag, die Impfung verringere die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung des Virus. „Dieser Schutz kann vulnerablen Gruppen wie kranken oder älteren Menschen das Leben retten.“ Die Politik müsse jetzt zügig handeln und die Entscheidung „einvernehmlich“ treffen. Nur dann erreiche man die notwendige Akzeptanz bei den Betroffenen, betonte Gaß.
„Faktenlage hat sich verschoben“
Auch der Deutsche Caritasverband, großer Träger unter anderem im Pflegebereich, erklärte, eine Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen könne eine Lösung sein. Man setze zwar bisher auf freiwillige Schritte, sagte Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa. „Aber die Faktenlage hat sich verschoben: Die Impfzahlen in der Bevölkerung und unter den Beschäftigten mit intensiven körperlichen Kontakten zu anderen sind zu niedrig, um zu gewährleisten, dass die Menschen, unter anderem in unseren Einrichtungen, ausreichend geschützt werden.“
Chronik der Entwicklung und Ereignisse
Alles zur Corona-Impfung
Sie habe große Sorgen, dass sich Situationen des Jahres 2020 wiederholten – „mit massiven Ausbrüchen, Einschränkung der Kontakte zu Angehörigen und schlimmstenfalls einem Lockdown“. Es brauche daher Maßnahmen, die schnell gegen die vierte Welle wirkten und „zugleich gut begründet das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beachten“.
Die Präsidentin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe, Professor Christel Bienstein, hatte kürzlich darauf hingewiesen, dass die meisten Pflegefachkräfte „längst“ geimpft seien, „weil sie eine professionelle und solidarische Entscheidung getroffen haben“. Die, die sich noch nicht hätten entscheiden können, ließen sich womöglich in einem persönlichen Gespräch erreichen.
Die Ampel hat angekündigt, sich mit einem Impfquoten-Monitoring einen Überblick der Situation in Pflegeheimen verschaffen zu wollen. Aktuell gebe es dazu keine verlässlichen Daten. (Mit Material von dpa)