Gesetz oder Verordnung

Corona: Regierung und Opposition streiten um Grundlage für Impf-Priorisierung

FDP, Grüne und Linksfraktion sehen das Parlament bei der Frage der Priorisierung der Corona-Impfungen übergangen. Die Koalition kontert und verweist auf das dritte Pandemiegesetz.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
„Es gibt kein einziges Argument, warum eine so wichtige Entscheidung wie die Priorisierung nicht im Parlament getroffen werden könnte“, sagte Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherinder FDP-Bundestagsfraktion, am 17. Dezember im Bundestag.

„Es gibt kein einziges Argument, warum eine so wichtige Entscheidung wie die Priorisierung nicht im Parlament getroffen werden könnte“, sagte Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, am 17. Dezember im Bundestag.

© Christoph Soeder/dpa

Berlin. Regierung und Opposition haben sich im Bundestag einen Schlagabtausch über das gesetzliche Vorgehen bei der Priorisierung der Impfungen gegen das Coronavirus geliefert. „Es gibt kein einziges Argument, warum eine so wichtige Entscheidung nicht im Parlament getroffen werden könnte“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, bei der ersten Lesung eines FDP-Entwurfs für ein Coronavirus-Impfgesetz am Donnerstag im Bundestag.

Liberale: Gesetz statt Verordnung!

In ihrem Entwurf schlägt die FDP vor, welche Bundesbürger zuerst gegen das Coronavirus geimpft werden sollen. Auf der höchsten Priorisierungsstufe sollen nach Ansicht der FDP über 80-Jährige, Menschen mit Behinderungen sowie Bewohner von Pflegeheimen und das dortige Pflegepersonal stehen. Anschließend sollen Personen im Alter zwischen 75 und 80, Personal mit hohem Expositionsrisiko in Praxen und Kliniken sowie Demenzerkrankte immunisiert werden. Die Bundesregierung will die Priorisierung im Rahmen der von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegten Corona-Impfverordnung regeln. Die Verordnung tritt voraussichtlich an diesem Freitag in Kraft. Das reiche als Grundlage nicht aus, kritisierte Aschenberg-Dugnus. Nur ein Gesetzgebungsprozess im Parlament schaffe mit Blick auf die Impfungen „Transparenz und Akzeptanz in der Bevölkerung“.

Es gibt kein einziges Argument, warum eine so wichtige Entscheidung wie die Priorisierung nicht im Parlament getroffen werden könnte.

Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion

„Wir haben ein Gesetz“, entgegnete der CDU-Gesundheitspolitiker Rudolf Henke. Mit dem dritten Pandemiegesetz seien die „Ansprüche auf die Durchführung der Schutzimpfungen“ bereits geregelt. Darauf fuße die Rechtsverordnung Spahns. Sämtliche Empfehlungen von Wissenschaftlern und Ärzten seien berücksichtigt worden. Und „in der Sache“ gebe es überhaupt keinen Unterschied zwischen den Regelungen in der Verordnung und dem, was die FDP wolle. „Es ist genau die gleiche Priorisierung“, betonte Henke. Das Parlament könne die Verordnung im Übrigen durch „ein einfaches Gesetz“ wieder zurückholen und außer Kraft setzen. Mit Blick auf die unmittelbar bevorstehenden Impfungen am 27. Dezember sei derzeit aber „gar keine Zeit“ für ein langwieriges Gesetzesverfahren.

Mattheis: Es geht um einen „gangbaren Weg“

Es gehe der Koalition um einen „gangbaren Weg“, der sicherstelle, dass Impfungen rasch erfolgen könnten, sagte auch die SPD-Gesundheitspolitikerin Hilde Mattheis. „Wir gehen sehr direkt und sehr pragmatisch und vor allem transparent für die Bevölkerung in diese neue Phase zur Bewältigung der Pandemie.“

AfD-Gesundheitspolitiker Robby Schlund nannte die Priorisierung von älteren Menschen und Hochrisikopatienten problematisch. „Das halten wir für komplett falsch und nicht zielführend, da in dieser Gruppe auch mit den höchsten Nebenwirkungen des hochexperimentellen mRNA-Impfstoffes zu rechnen ist.“ System- und pandemierelevante Gruppen sollten „absolut freiwillig geimpft werden – genauso wie unsere Bundesregierung“, forderte Schlund.

Achim Kessler von der Linksfraktion betonte, die Priorisierung sei mit schwierigsten ethischen Fragen verbunden. Damit werde über Leben und Tod entschieden. Daher sei es „vollkommen unverständlich“, dass die Bundesregierung diese Frage alleine beantworten und verantworten wolle. „Ich fürchte, dass Herr Spahn das noch bitter bereuen wird.“ Es sei zudem eine „Unverschämtheit“, Zeitgründe vorzuschieben. Oppositionspolitiker hätten allen Fristverkürzungen zugestimmt, um den Gesetzgebungsprozess zu beschleunigen.

Grüne: Rechtliche Grundlage fehlt

Eine Verordnung reiche nicht als Grundlage für die Priorisierungsentscheidung, stimmte auch die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche in die Kritik ein. Gesundheitsminister Spahn beziehe sich „im Kern“ auf Paragraf 20i Absatz 3 des SGB V. Dort gehe es aber nicht um den Zugang zur Impfung, sondern um die Kostenerstattung dafür. „Damit fehlt die rechtliche Grundlage für die Priorisierung der Impfstoffverteilung.“ Deutschland sei bei der Impfung auf gutem Weg. „Aber lassen Sie uns das auch rechtssicher gestalten.“

Der FDP-Entwurf soll Anfang Januar im federführenden Gesundheitsausschuss weiterberaten werden.

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