Corona-Tests und Grippeimpfung

Kinderärzte befürchten Kollaps des Systems

Jedes Kind mit Schniefnase gleich auf das Coronavirus abstreichen lassen? Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte rät davon ab. Ein Test solle nur bei einem begründeten Verdacht erfolgen.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Alle Kinder mit Schnupfennasen auf Corona testen? Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte rät davon ab.

Alle Kinder mit Schnupfennasen auf Corona testen? Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte rät davon ab.

© Kunstzeug/stock.adobe.com

Berlin. Deutschlands Kinder- und Jugendärzte schlagen Alarm. Hintergrund ist eine Empfehlung des Robert Koch-Instituts (RKI). Demnach sollen auch Patienten mit leichten Anzeichen auf einen Atemwegsinfekt auf das Coronavirus getestet werden.

Lesen sie auch

Die RKI-Empfehlung sei mit Blick auf Erwachsene „noch einigermaßen nachzuvollziehen, da Erwachsene seltener solche Infekte haben“, sagte der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Thomas Fischbach, der „Ärzte Zeitung“.

Kinder hätten derartige Infekte aber dauernd – vor allem im Herbst und im Winter. „Wenn wir die alle auf SARS-CoV-2 abstreichen sollen, kollabiert das ambulante pädiatrische Versorgungssystem.“

„Man lässt uns im Regen stehen“

Allein in seiner Kinderarztpraxis in Solingen seien zu Beginn dieser Woche an nur einem Tag knapp 70 Patienten nach den RKI-Kriterien auf das Coronavirus abgestrichen worden, berichtete Fischbach. „Das ist so auf Dauer nicht leistbar.“ Bereits im Sommer habe er die „drohende Situation“ dem RKI und dem Bundesgesundheitsministerium geschildert. „Passiert ist seitdem nichts, man lässt uns im Regen stehen.“

Die Situation spitze sich auch deshalb zu, weil nach Wiederöffnung des Regelbetriebs in Schulen und Kitas viele Eltern gedrängt würden, ihre Kinder auf Corona abstreichen zu lassen, „wenn den Kleinen mal die Nase läuft“, sagte der BVKJ-Chef. Die Verunsicherung sei groß. „Sie wird jeden Tag noch verstärkt als gemildert“.

Kinder und Jugendliche sollten dann auf SARS-CoV-2 abgestrichen werden, wenn ein begründeter Verdacht auf eine Ansteckung vorliege – etwa bei Fieber und starkem Husten oder wenn sie Kontakt zu einem an Corona erkrankten Angehörigen hatten, sagte Fischbach. In seiner Praxis sei das bislang kaum der Fall gewesen.

Lediglich zwei von mehr als 1000 von seinem Praxisteam abgestrichenen Kinder seien positiv auf Corona getestet worden. In beiden Fällen sei zuvor der Vater erkrankt gewesen. Bei Kindern mit leichten Erkältungsanzeichen ohne konkreten Verdacht sei eine symptomatische Behandlung ausreichend und sinnvoll.

Debatte um Grippe-Impfung

Mit Blick auf die Debatte um eine vorbeugende Grippeimpfung bei Kindern warnte Fischbach vor möglichen Kapazitätsengpässen. „Uns ist wichtig in diesem Zusammenhang, dass die chronisch kranken Kinder geimpft werden und wir die Eltern hier gezielt ansprechen sollten.“

Zuvor hatte der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, Professor Johannes Hübner, dazu aufgerufen, Kinder im Herbst gegen die normale Grippe impfen zu lassen. Es sei bekannt, dass Kinder den Influenza-Virus maßgeblich übertragen würden, sagte Hübner der „Welt am Sonntag“.

Auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte wegen der Corona-Pandemie zur Grippeimpfung geraten. Das Gesundheitssystem werde nur schwerlich eine größere Grippewelle und die Pandemie gleichzeitig verkraften können, hatte er der Zeitung gesagt.

STIKO gegen Ausweitung der Grippe-Impfempfehlung

Die Ständige Impfkommission hatte sich zuletzt gegen eine Ausweitung der Grippe-Impfempfehlungen ausgesprochen. Eine Ausweitung der Empfehlung „könnte sich derzeit sogar als kontraproduktiv erweisen“, heißt es in einer Stellungnahme.

Bislang wird der Influenza-Schutz für Menschen mit Vorerkrankungen, Personen ab 60, Schwangere und deren Angehörige im Haushalt, Heimbewohner und Gesundheitsberufe empfohlen. Daran orientiert sich auch die Schutzimpfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses. Viele Krankenkassen erstatten die Impfung jedoch auch für weitere Personen.

Lesen sie auch
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Frage der Woche

Ampel-Aus – um welches Gesetzesvorhaben tut es Ihnen besonders leid?

Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Kooperation | In Kooperation mit: Janssen-Cilag GmbH
Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

© Springer Medizin Verlag

Intens. Video-Podcast

Grippeschutzimpfung: Jüngere Risikogruppen nicht vergessen

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Mann mit Pflaster auf Oberarm gibt Daumen-hoch-Zeichen

© U_Photo / Shutterstock

Impflücken bei Chronikern

Senkung von Morbidität und Mortalität durch bessere Vorsorge

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Kommentare
Dr. Antigone Fritz und Hubertus Müller sitzen trocken am PC. Dort zu sehen: ein Bild vom Hochwasser in Erftstadt vor drei Jahren.

© MLP

Gut abgesichert bei Naturkatastrophen

Hochwasser in der Praxis? Ein Fall für die Versicherung!

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MLP
Schnelle Kommunikation, aber sicher: Das hilft Teams unterschiedlicher Einrichtungen bei der effizienten Zusammenarbeit.

© [M] Famedly

Neues Kooperationswerkzeug im Netz

Effiziente Kommunikation: Der schnelle Draht von Team zu Team

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Diagnose-Prävalenzen

Wo Autoimmunerkrankungen besonders häufig auftreten

SUMMIT-Studie

Tirzepatid auch erfolgreich bei Herzinsuffizienz-Therapie

Lesetipps
Das deutsche Gesundheitswesen im Vergleich mit EU-Ländern – die Bilanz fällt gemischt aus.

© Denys Rudyi / stock.adobe.com

OECD-Vergleich

Deutschland ist bei Lebenserwartung erstmals unter EU-Schnitt

Physician Assistants und NÄPAs können Hausärzte stark entlasten.

© amedeoemaja / stock.adobe.com

NÄPAS und Physician Assistants

Drei Ärzte, 10.000 Patienten: Delegation macht es möglich

CAs9-Protein spaltet einen DNA-Doppelstrang.

© Design Cells / Getty Images / iStock

CRISPR-Cas9-Studie

ATTR-Amyloidose: Einmal spritzen – und gesund?