Organspende-Skandal
Das Geld und die Warteliste
Der Skandal um gefälschte Wartelisten für Lebertransplantationen in Göttingen bringt immer neue Details ans Tageslicht: Jetzt gibt es erstmals Hinweise, dass Geld geflossen ist.
Veröffentlicht:GÖTTINGEN (pid). Im Transplantationsskandal am Göttinger Universitätsklinikum gibt es jetzt erstmals indirekte Hinweise darauf, dass bei den Manipulationen auch Geld im Spiel gewesen sein könnte.
So soll der frühere Leiter der Göttinger Transplantationschirurgie für einen ausländischen Organempfänger eine Pauschale von rund 8700 Euro an die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) gezahlt haben.
Dies bestätigte am Mittwoch der Medizinische Vorstand der Stiftung, Professor Günter Kirste. Die Zahlung ist deshalb ungewöhnlich, weil üblicherweise die Krankenkasse des Patienten, dem ein Organ transplantiert wurde, oder der Patient selbst diese Pauschale zahlt.
In manchen Fällen übernähmen auch die Patienten selbst diese Kosten. Dass jedoch ein Arzt diese Pauschale zahlt, ist mindestens ungewöhnlich.
Der 45-jährige Transplantationschirurg, der seit Ende 2011 nicht mehr am Klinikum tätig ist, soll die Überweisung im Januar 2011 von einem privaten Konto für einen ausländischen Patienten getätigt haben.
Dabei handelt es sich nicht um den Patienten aus Russland, dem im Mai 2011 in Göttingen unter dubiosen Umständen eine Leber transplantiert worden war.
Patient aus Italien bevorzugt?
Dessen Fall hatte die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen des Verdachts der Bestechung und der Bestechlichkeit ausgelöst. Inzwischen haben sich die Verdachtsmomente auf 23 Transplantationen in den Jahren 2010 und 2011 ausgeweitet.
Nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den Chirurgen vor einigen Wochen hatte die DSO ihrerseits alle Göttinger Organtransplantationen überprüft. Dabei sei man auf die auffällige Überweisung des Chirurgen gestoßen, sagte Kirste.
Die ungewöhnliche Überweisung ist mittlerweile auch der Staatsanwaltschaft Braunschweig bekannt. Man gehe jedem Hinweis nach, sagte Behördensprecherin Serena Stamer. Zu Details von Zahlungsflüssen mache man aber aus taktischen Gründen keine Angaben.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt außer gegen den früheren Leiter der Transplantationschirurgie auch gegen den Leiter der Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie.
Inzwischen hat die Universitätsmedizin auch die Nationalitäten der Patienten überprüft, die in den Jahren 1995 bis 1999 eine Leber oder Niere transplantiert bekommen haben.
Anlass waren Hinweise, dass es schon in den 1990er Jahren zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein soll und Patienten aus Italien bevorzugt behandelt worden sein sollen.
Bei den insgesamt 181 Nierentransplantationen habe es keinen einzigen, bei den 99 Lebertransplantationen 23 Patienten mit italienischer Nationalität gegeben, sagte am Mittwoch UMG-Sprecher Stefan Weller.
Ob es dabei zu Regelverstößen gekommen sei, müssten die weiteren Prüfungen ergeben.