Kommentar zum Sterbehilfe-Gesetzesvorstoß
Das Schwert des Strafrechts
Lange, sehr lange dauerte es, bis in der Sterbehilfedebatte eine Gruppe von Abgeordneten Nägel mit Köpfen gemacht hat. Am Dienstag, mehr als sieben Monate nach der Orientierungsdebatte im November im Bundestag, hat eine interfraktionelle Gruppe nun einen Gesetzentwurf vorgelegt.
Ziel ist es, die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung zu verbieten. Sterbehilfeorganisationen wie Dignitas oder der Gruppe um den Hamburger Ex-Senator Roger Kusch würde es an den Kragen gehen, wenn dieser Entwurf im Bundesgesetzblatt stünde.
In rund 20 Seiten Begründung versuchen die Autoren ihr Ansinnen zu erklären: Durch Sterbehilfevereine oder entsprechend tätige Einzelpersonen, die Sterbewilligen beispielsweise ein tödlich wirkendes Medikament verschaffen, drohe eine "gesellschaftliche Normalisierung" und ein "Gewöhnungseffekt" für solche Formen des geschäftsmäßig assistierten Suizids, heißt es.
Die langen Beratungen vor der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs verdanken sich auch der Erkenntnis, dass wer Verbote ausspricht, auch neue Grauzonen schafft. Dignitas & Co. kann der Gesetzgeber verbieten, das von deren Mitgliedern beförderte Denken aber nicht.
So bleibt die Frage, ob das scharfe Schwert des Strafrechts tatsächlich die richtige Antwort auf vermeintlich "beunruhigende Entwicklungen" darstellt: Steigt die Zahl der Mitglieder in solchen Vereinen dramatisch? Gibt es auch nur ansatzweise Belege für die Behauptung, insbesondere alte Menschen würden sich durch die bloße Existenz dieser Vereine "unter Druck gesetzt fühlen"? Auffällig ist in der Gesetzesbegründung der gewundene Versuch der Abgeordneten, jeden Verdacht des Paternalismus von sich zu weisen. Denn bei der prinzipiellen Straflosigkeit des Suizids und der Teilnahme daran soll es bleiben.
Im Juli ist die erste Beratung der Gesetzentwürfe geplant. Nun müssen also die Befürworter einer Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids unter engen Voraussetzungen nachziehen. Gleiches gilt für die Abgeordneten, die in der Orientierungsdebatte lediglich für eine stärkere Kontrolle von Sterbehilfevereinen geworben haben.
Demokratie lebt vom Diskurs. Nun ist - auch formal - die Debatte eröffnet.
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