Neues Patientenrechtegesetz

Das müssen Ärzte nun beachten

Das neue Patientenrechtegesetz tritt in wenigen Tagen in Kraft. Welche Veränderungen ergeben sich für Ärzte? Eine Medizinjuristin klärt auf.

Von Marion Lisson Veröffentlicht:
Patienten sollen es künftig leichter haben, bei Arztfehlern vor Gericht zu ihrem Recht zu kommen.

Patienten sollen es künftig leichter haben, bei Arztfehlern vor Gericht zu ihrem Recht zu kommen.

© lassedesignen / Fotolia.com

HEIDELBERG. Das Patientenrechtegesetz hat am vergangenen Freitag (1. Februar) den Bundesrat passiert. In den nächsten Tagen, mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger, wird es in Kraft treten.

Doch was bedeutet das neue Gesetz für Ärzte? Was ist zu tun? Und wie können Ärzte Gerichtsprozessen vorbeugen?

Mit diesen Fragen beschäftigte sich eine kleine Runde aus Medizinern und Juristen in der Heidelberger Kanzlei von Rechtsanwältin Beate Bahner.

Risiken sind genau zu benennen

Knackpunkt des neuen Patientenrechtegesetzes ist für die Praxen nicht die fachgerechte Behandlung. Die - so auch der Tenor der anwesenden Human- und Zahnmediziner - ist selbstverständlich.

Das Problem liegt ganz woanders: Denn das neue Gesetz, das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert ist, sieht nicht nur in den Paragrafen 630e und 630f BGB für Ärzte eine Aufklärungs- und Dokumentationspflicht vor, sondern beinhaltet auch eine Informationspflicht (Paragraf 630c) über die Behandlung.

Fragt ein Patient also bei seinem Arzt nach, ob ein Fehler bei seiner Behandlung unterlaufen ist, so muss der Mediziner den Patienten über etwaige Vorkommnisse informieren.

Bei der Aufklärung des Patienten über eine Behandlung und deren Risiko sei es im Übrigen wichtig, so Bahner, dass der Arzt das typischste, häufigste und schwerste Risiko dem Patienten mitteile und sich natürlich einen Aufklärungsbogen unterschreiben ließe.

Für Ärzte ebenfalls von direktem Belang ist laut der Anwältin für Medizinrecht Paragraf 630h: Trug bislang der Patient die Beweislast darüber, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, so ändert sich dies nun.

Jetzt gilt für eine Reihe von strittigen Fällen ärztlicher Kunst eine Beweislastumkehr. Etwa dann, wenn es um grobe Organisationsfehler oder Hygienemängel in der Praxis oder Klinik geht.

"Kommt es drei oder fünf Jahre später zum Prozess, dann ist der Mediziner klar im Vorteil, der jede fallrelevante Einzelheit der Behandlung dokumentiert hat", so Bahner.

"Eigentlich ist es schon verrückt, wie viel Zeit man am Schreibtisch für den Fall der Fälle, der vor Gericht kommt, investieren muss", wundert sich Dr. Henning Madsen, Kieferorthopäde aus Ludwigshafen laut.

Welche Daten stehen Patienten offen?

Dass eine lückenlose Dokumentation auf jeden Fall nutzt und von manchen Patienten sogar jetzt schon ausdrücklich gewünscht wird - auch wenn es zu keinem Behandlungsfehler kommt -, konnte der seit 20 Jahren tätige Ludwigshafener kürzlich erfahren.

Madsen erzählt in der Runde offen von seiner Verblüffung, die er vor einigen Tagen verspürt habe: "Da forderte eine Mutter von mir plötzlich die Behandlungskartei ihrer Tochter heraus! Sie wollte sie lesen!"

Noch nie sei ihm so etwas vorgekommen. "Das hat mich gekränkt. Ich habe das natürlich erst einmal als Misstrauen gegen meine Behandlung gewertet. Das war mir sehr unangenehm", erzählt er.

Madsen rief sofort bei der Kammer an und erfuhr dort, dass das Anliegen der Mutter rechtens sei. Er kopierte die Akte. Zu einem Streit kam es nicht. Madsen behandelt die Tochter noch immer. Zurück blieb dennoch zumindest bei ihm ein mulmiges Gefühl.

"Müssen wir eigentlich in solchen Fällen all unsere Aufzeichnungen herausgeben?", fragt Dr. Thomas Dill, ein Urologe aus Heidelberg, sogleich nach. Manche Bemerkung hierin sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Zum Beispiel wenn ein Arzt für sich in der Akte vermerkt hätte: "Patient hat einen Morbus Villeroy und Boch (Sprung in der Schüssel) oder Morbus Bahlsen (… einem am Keks)." Das könne peinlich werden.

Zeitliche Abfolge muss erkennbar sein

Nachträgliche Änderungen in der Patientenakte müssen übrigens künftig als solche deutlich gemacht werden. Die zeitliche Abfolge der Einträge muss für Dritte zu erkennen sein.

"Meine Software macht das bislang nicht. Da muss wohl nachgebessert werden", erkennt einer der Mediziner in der Runde sofort Handlungsbedarf für sich.

Wie oft es für den einzelnen Praxisarzt derzeit statistisch gesehen zum Worst Case - also zu einem Arzthaftungsprozess kommt, dazu nennt Bahner an diesem Abend abschließend ein paar von ihr hochgerechnete Zahlen.

"Als Arzt haben Sie vielleicht sieben Mal in Ihrem gesamten Berufsleben eine ernsthafte Auseinandersetzung mit einem Patienten, bei dem es um eine haftungsrechtliche Frage, also um einen angeblichen Behandlungsfehler geht. Vier Mal folgt daraus ein Prozess und einmal davon wird der Richter zugunsten des Patienten entscheiden und Ihre Haftpflichtversicherung muss zahlen", fasst sie zusammen.

Er schiebt noch einmal Grundsätzliches nach: "Der Arzt schuldet dem Patienten, dass er ihn nach dem aktuellen medizinischen Standard behandelt, nicht aber einen Heilungserfolg."

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