Vergleich von 151 Ländern
Demokratien liegen bei Gesundheitsausgaben vorne
Gesundheitsausgaben sind auch eine politische Systemfrage: Wer autokratisch herrscht, kümmert sich tendenziell weniger um die Gesundheit seiner Untertanen – das lässt sich mit Daten belegen.
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In Demokratien, wo freie und faire Wahlen stattfinden, sorgen Politiker in der Tendenz für höhere öffentliche Gesundheitsausgaben als in Autokratien.
© Harald Tittel/dpa
Berlin. Demokratisch regierte Staaten investieren mehr Mittel in das öffentliche Gesundheitssystem als Autokratien. Zwischen dem politischen System und der relativen Höhe der öffentlichen Gesundheitsausgaben gibt es insoweit einen systematischen Zusammenhang (International Tax and Public Finance 28, 323–363 (2021), doi.org/10.1007/s10797-020-09648-9).
Die Ökonomen Johannes Blum, Florian Dorn und Axel Heuer sind – nicht nur anlässlich der Corona-Pandemie – der Frage nachgegangen, wie politische Systeme für die Gesundheit ihrer Bürger sorgen. China beispielsweise hatte Erfolge im Kampf gegen SARS-CoV-2 als Beleg für die Überlegenheit des eigenen politischen Systems gedeutet – das stark auf Überwachung und Freiheitsbeschränkungen setzt.
Die Forscher verwendeten Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus 151 Ländern aus den Jahren 2000 bis 2015, um ihrer These nachzugehen. Dabei nutzten sie parallel mehrere Klassifizierungsansätze, um politische Regime zu beschreiben. Doch ihre Ergebnisse, so die Autoren, erwiesen sich als robust gegenüber verschiedenen Ansätzen zur Unterscheidung zwischen Demokratien und Autokratien.
20 bis 30 Prozent mehr Mittel für die Gesundheit
Bei gleichem ökonomischen Entwicklungsstand lagen die öffentlichen Gesundheitsausgaben in demokratischen Ländern im Beobachtungszeitraum um 20 bis 30 Prozent höher als in Autokratien. Dagegen fanden die Autoren bei privaten Gesundheitsausgaben keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen verschiedenen Regierungsformen.
Zeigen konnten die Wissenschaftler auch, dass Regimewechsel – von autokratischen zu demokratischen Verhältnissen und umgekehrt – in einer kurzen Zeitspanne mit veränderten öffentlichen Gesundheitsausgaben einhergehen. So stiegen beispielsweise in Georgien die staatlichen Gesundheitsausgaben im Zuge der demokratischen Transformation von 1,2 Prozent (2004) auf 3,1 Prozent (2015) gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP).
Demokratisierung macht Gesundheitssysteme resilienter
In Tunesien nahmen die Ausgaben in den Jahren vor und nach dem demokratischen Übergang im Zuge des „arabischen Frühlings“ von 2,9 auf 3,9 Prozent des BIP zu. Der positive Effekt der Demokratisierung im Hinblick auf die Ausgaben für öffentliche Gesundheitsversorgung werde „innerhalb weniger Jahre nach einem Regimewechsel sichtbar“, heißt es.
Politiker in Demokratien hätten grundsätzlich größere Anreize, „die Nachfrage der breiten Wählerschaft nach hinreichender öffentlicher Gesundheitsversorgung zu befriedigen“. Hingegen seien Autokraten stärker auf das Wohl machtpolitischer Eliten und ihrer Unterstützer bedacht. Anders formuliert: Wenn demokratische Strukturen und Institutionen gefördert werden, ist dies in vielen Ländern zugleich ein Element, um die Resilienz des Gesundheitssystems zu stärken, folgern die Autoren. (fst)