Hintergrund

Der Arzt als eierlegende Wollmilchsau

Neue Ärzte braucht das Land, fordert eine Gruppe von Unternehmern und Managern im Gesundheitswesen. Ihre These: Künftig reicht nicht mehr nur medizinisches Know-how - erwartet werden ganz andere Kompetenzen.

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Inzwischen sind auch sozialmedizinische, kommunikative und ökonomische Fähigkeiten bei Ärzten gefordert.

Inzwischen sind auch sozialmedizinische, kommunikative und ökonomische Fähigkeiten bei Ärzten gefordert.

© Arpad Nagy-Bagoly / fotolia.com

Von Jürgen Stoschek

Neue Ärzte braucht das Land. Das jedenfalls meint die Initiative Gesundheitswirtschaft (IGW), ein Zusammenschluss von Unternehmern und Managern im Gesundheitswesen. Deshalb hat die IGW jetzt eine Studie zur Zukunft der Ärzteausbildung vorgelegt.

Während bei der Ausbildung der Ärzte früher vor allem medizinisch-naturwissenschaftliche Kompetenzen im Vordergrund standen, seien inzwischen auch sozialmedizinische, kommunikative und ökonomische Ergänzungen "stark im Kommen", erklärte Pirvatdozent Josef Hilbert, Geschäftsführender Direktor des Instituts Arbeit und Technik (IAT) der Fachhochschule Gelsenkirchen, bei einer Veranstaltung in München.

Hochkompetente Einzelkämpfer sind out

Von angehenden Medizinern werde erwartet, dass sie sich auch damit auseinandersetzen, wie Patienten in Zukunft versorgt werden und dass sie über Managementkompetenzen verfügen, die es ihnen ermöglichen, Prozesse zu verändern.

Die Entwicklung gehe vom "hochkompetenten Einzelkämpfer zum interprofessionellen Teamplayer und Versorgungsmitgestalter", erklärte Hilbert, dessen Institut die Studie "Neue Ärzte für das Land? Innovationsbaustelle Ärzteausbildung Deutschland" im Auftrag der IGW erstellt hat.

Patientenorientierung wird immer wichtiger

Neben den medizinischen Fähigkeiten werde künftig insbesondere die Patientenorientierung eine immer wichtigere Rolle spielen.

In die Studie sind neben statistischen Auswertungen unter anderem auch die Ergebnisse von Befragungen an allen 36 Medizinischen Fakultäten, von Medizinstudenten und Sachverständigen sowie eine Analyse der Modell- und Reformstudiengänge an den verschiedenen Universitäten eingeflossen.

Berufsorientierung kommt an der Uni zu kurz

Der "Innovationszug" der Medizinerausbildung fahre insgesamt zwar in die richtige Richtung, meinte Hilbert. Gleichwohl gebe es noch zu viele Zögerlichkeiten, und es fehle an einer bundeseinheitlichen Ausrichtung. Sträflich vernachlässigt werde vor allem das Thema Berufsorientierung.

Eine Folge davon sei, dass bei Medizinstudenten große Unsicherheiten über das Arbeitsfeld niedergelassener Ärzte bestehen. "Die Kenntnisse bei den Medizinstudenten über ihre berufliche Zukunft sind minimal", sagte Hilbert.

Eine Verknüpfung akademischer Qualitäten in Forschung und Versorgung mit den konkreten Anforderungen des Berufsfeldes sei daher dringend erforderlich. Praktizierende und erfahrene Ärzte mit Mentorenfunktion sollten deshalb verstärkt in die Ausbildung einbezogen werden.

Gesundheitswirtschaft steht vor dem Wandel

Die "Zukunftsbranche Gesundheitswirtschaft", stehe vor einem tiefgreifenden Wandel, der zu einer Neuorganisation der Gesundheitsversorgung im Sinne einer "Strukturierten Medizin" führen werde, erklärte IGW-Vorsitzender Professor Heinz Lohmann.

Noch sei das Leitbild einer "Strukturierten Medizin" unscharf, räumte Hilbert allerdings ein. Schon jetzt sei jedoch erkennbar, dass Patientenorientierung sowie mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit künftig eine zunehmend wichtige Rolle spielen werden.

Breiter Strauß an Vorschlägen

Dies werde unter anderem zu einer grundlegenden Reorganisation der regionalen und intersektoralen sowie auch der innerbetrieblichen Prozesse führen. Nur so könne die Gesundheitswirtschaft ihre Potenziale für mehr Lebensqualität, Wachstum und Beschäftigung entwickeln, hieß es.

Mit ihren Vorschlägen habe die IGW "einen breiten Strauß" aufgefächert, erklärte der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Theodor Windhorst, in einer ersten Stellungnahme. Vieles davon decke sich mit Perspektiven und Prognosen in der Ärzteschaft.

Windhorst: Weiterbildungsordnung an vielen Stellen nicht mehr zeitgemäß

Bei allen Bestrebungen, neue Gesundheitsberufe zu schaffen und Abläufe neu zu definieren, müsse Diagnostik und Therapie jedoch auch in Zukunft in der Hand von Ärzten bleiben, betonte Windhorst.

Zugleich sprach er sich für weitere Änderungen an der Weiterbildungsordnung aus, die an vielen Stellen nicht mehr zeitgemäß sei.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 23.09.201115:38 Uhr

Marginalisierte, ärztliche Kernkompetenz!

Zu meiner Praxisgründung 1992 habe ich gesagt: "Wir sind der einzige bürokratisch aufgeblähte Verwaltungsapparat, der nebenbei noch eine gut funktionierende Arztpraxis unterhält".

Regalmeterlange gesetzliche Bestimmungen, Berufsordnung, kassenärztliche Vorschriften, sozial- und verwaltungsrechtliche Vorgaben, straf- und zivilrechtliche Ergänzungen, Steuerrecht, Personal- und Verwaltungsaufgaben, Ökonomie, Betriebswirtschaft mit BWA, um nur einiges zu nennen, drohten meine ärztliche Kernkompetenz zu marginalisieren.

U n s e r e haus- und fachärztliche professionelle Kernkompetenz brauchen Patientinnen und Patienten dringender denn je: Um durch den Dschungel der Krankenversorgung, Gesundheitsversprechen, Pharmazie, Medizintechnik, Praxiskliniken, Krankenhäuser, MVZ, Großgeräte, Maximalchirurgie, Unikliniken, Schul-und Alternativmedizin einigermaßen sicher hindurch navigieren zu können. Denn ärztliche Versorgung und praktizierte Humanmedizin sind fundierte Untersuchung, Diagnose, differenzierte Therapie, Heilung, Linderung, Tröstung und Palliation. Wie oft sind wir Mediziner/-innen nur Notnagel für ökonomische, sozialpsychologische und kulturell auseinander driftende gesellschaftliche Widersprüche?

Zur Lösung brauchen wir kompetente, professionelle Fachleute anderer Gebiete zur kommunikativen K o o p e r a t i o n und keine Unternehmer und Manager im Gesundheitswesen, die mit uns sozialmedizinische, kommunikative und ökonomische Besserwisser-Wettbewerbe veranstalten. Und wer wirklich ernsthaft den Dialog auf Augenhöhe in Klinik und Praxis führen will, muss bereit sein, zumindest gedanklich in die Welt der Bettpfannen, Bremsspuren, Urinflaschen und Schnabeltassen einzutauchen.

Aber manch einer nagelt sich in seiner Parallelwelt lieber ein Stethoskop mit dem Reflexhammer an die Wand und ist damit doch kein Garant für innovatives, zukunftssicherndes und erfolgreiches Gesundheits-, Krankheits- und Krisenmanagement.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Ralf Schrader 23.09.201114:21 Uhr

Zukunftsbranche Gesundheitswirtschaft

Ob die Zukunftsbranche Gesundheitswirtschaft vor einem Wandel steht oder nicht interessiert mich als Mitarbeiter des Gesundheitswesen, einem dediziert nicht der Wirtschaft zugehörigen Bereich so sehr wie der berühmte Reissack und dessen Umfallen in China.
Wenn die Betriebswirte sich ein Proficenter Gesundheit basteln möchten, mögen sie es versuchen, meine Unterstützung bekommen sie nicht.
In seinem gut zu lesenden Buch ''Ware Gesundheit'' hat Paul Unschuld etwas augenzwinkernd die Idee entwickelt, dass Ärzte aus dem bestehenden Gesundheitsversorgungssystemen aussteigen und sich eigene Strukturen schaffen. In Bayern gab es das in etwa ja schon einmal bei der Abstimmung über die Massenkündigung des Kassenzulassungen.
Es ist an der Zeit, deutlich mitzuteilen, dass das Gesundheitswesen zwar wirtschaftlich sein darf, Wirtschaftlichkeit aber nicht zum Kern der hoheitlichen Aufgabe gehört. Sonst müssen wir wirklich aussteigen und die Herren und Damen Betriebswirte unter sich diagnostizieren und therapieren lassen.

Maximilian Micka 23.09.201109:49 Uhr

Oh... cool....

Was ich da lese ist die Stellenbeschreibung eines hausärztlich tätigen Landarztes. Die beschriebenen Anforderungen müssen wir Hausärzte schon seit Jahren erfüllen um a) nicht unser Berufsfeld zu vernachlässigen und b) unsere Kunden / Patienten zu verlieren. Schließlich führen wir alle auch einen mittelständischen Betrieb.

Dr. Birgit Bauer 22.09.201118:23 Uhr

Diese Erkenntniss ist ganz Toll !1

Ich denk ich lese nicht richtig !Tolle neue Erkenntnisse ! Ein Arzt braucht Sozialkompetenz und ist als Einzelkämpfer auf ziemlich wackligem Boden. Und das aus dem Bereich der Gesunheitswirtschaft, die die Gesundheit unserer Bevölkerung buchstäblich zu Markte tragen.Ich frage mich wo diese Menschen die letzten 20 Jahre zugebracht haben.
Im östlichen Teil unserer Republik gehörte die Sozialkompetenz primär zum Arztberuf, vielleicht sollte auf die Erfahrungen dieser Kollegen zurückgegriffen werden, eh "mann" sich wieder im Ausland plamiert ( siehe Strukturen der Bildungspolitik)
M.f.G.B.Bauer

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