Tag der Entscheidung
Der Brexit – Ein Politkrimi im Shakespeare-Stil
Unser Londoner Korrespondent Arndt Striegler beobachtet das Brexit-Drama live vor Ort. Im britischen Unterhaus wird gerade ein politisches Endspiel inszeniert – weit weg von den realen Sorgen vieler Briten.
Veröffentlicht:LONDON. Der historische Tag begann am Dienstag in Großbritannien mit einem Gebet im Unterhaus und er endete mit einer herben Enttäuschung für Ärzte, Pflegekräfte und andere Bedienstete der Gesundheitsbranche. Brexit – das nächste Kapitel einer Never-ending-story.
Besucher des Londoner Unterhauses, wo fast acht Stunden lang über das in den vergangenen zwei Jahren zwischen London und Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen debattiert und später abgestimmt werden sollte, merkten schon beim Betreten der Great Hall of Westminster – eine Art glamouröses Vorzimmer des Parlaments – was die Stunde geschlagen hatte. Doppelt so viele Sicherheitsbeamte wie gewöhnlich, selbst Papiertaschentücher mussten aus der Hosentasche raus und durchleuchtet werden.
Wer sich von der den Eingangs erwähnten Gebeten der Parlamentarier erhofft hatte, die Debatte würde auch mit Blick auf die Gesundheitspolitik und die Patientenversorgung nach dem Brexit mehr Aufschluss geben, der wurde enttäuscht.
NHS-Themen gehen beim Brexit unter
Die Debatte im Unterhaus wurde dominiert von Ergänzungsanträgen zum Austrittsabkommen und Verfahrensfragen. Interessant: Obwohl in einem Nebenraum in Westminster zeitgleich der Gesundheitsausschuss tagte, wurde dieser von Besuchern, Reportern und anderen politisch Interessierten fast gänzlich ignoriert. Alltägliche Probleme des National Health Service (NHS) zählen an einem solchen Tag nicht. Zu wichtig die Debatte im Parlament, ob und wie der Brexit nun ablaufen wird.
Überraschend ist das freilich nicht. Anders als im Deutschen Bundestag, wo Debatten in der Regel eher nüchtern, sachlich und wenig emotional rüberkommen, erinnert der parlamentarische Alltag im Königreich an ein Shakespeare-Drama. So auch am Dienstag: Intrigen, Winkelzüge, überraschende Kehrtwendungen – alles selbstverständlich im fast schon ironisch wirkenden britischen Höflichkeitston.
Wie weit entfernt die britischen Abgeordneten freilich von der Realität draußen im Lande entfernt sind, zeigte sich dem Besucher spätestens dann, als er nach seinem Besuch wieder auf die Straße trat: Dort demonstrierten tausende EU-Anhänger und -Gegner für ihre jeweilige Sache. Und dort war von der britischen Höflichkeit dann auch nur noch sehr wenig zu spüren.
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