Sicherstellungspakt in Hessen
Die Puzzle-Teile passen nicht
Der mit großen Ambitionen im November 2011 gestartete Sicherstellungspakt in Hessen hat Erwartungen geweckt, die nicht eingelöst wurden. Die Landtagsfraktionen ziehen ein kritisches Zwischenfazit.
Veröffentlicht:WIESBADEN. Die gesundheitspolitischen Sprecher der fünf Fraktionen im hessischen Landtag haben drei Jahre nach dem Start des Pakts zur Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung eine kritische Bilanz gezogen.
Der Pakt, der von Sozialminister Stefan Grüttner (CDU) 2011 mit allen im Gesundheitswesen verantwortlichen Akteuren im Land initiiert wurde, sei eine Art Langzeittherapie, erklärte der Sprecher der CDU-Fraktion, Dr. Ralf-Norbert Bartelt. Gemeinsam mit dem grünen Koalitionspartner will sich die CDU für eine Erweiterung des Paktes einsetzen.
Dies sei vor rund acht Monaten im Koalitionsvertrag der ersten schwarz-grünen Landesregierung festgehalten worden. Dabei setze die Koalition vor allem auf die künftigen Gesundheitskonferenzen, in denen über regionalen Versorgungsbedarf und über eine stärkere sektorenübergreifende Zusammenarbeit diskutiert werden soll.
Hier wolle die Koalition "darauf drängen, dass die Konstituierung der Konferenzen schneller geht", sagte Marcus Bockelt, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen, vor Journalisten in Wiesbaden. Zu der Veranstaltung hatte die Landesärztekammer Hessen eingeladen.
Dem positiven Zwischenfazit der Regierungskoalition konnte sich der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dr. Thomas Spies, nicht anschließen.
"Der Geburtsfehler ist weiterhin, dass hier nur ein Minimalkonsens gesucht wurde und die schwierigen Probleme verschwiegen werden", sagte Spies. Der Pakt sei als Instrumentarium ungeeignet, künftige und aktuelle Versorgungsprobleme zu lösen.
Kritik an KV Hessen
Besondere Kritik übte Spies an der KV Hessen: Die derzeitige Diskussion um die Reform des ärztlichen Notdienstes zeige, "dass die KV der Landesregierung auf der Nase herumtanzt". Ebenso sehe er keine Bereitschaft der KV, über das Problem der Über- und Unterversorgung zu sprechen.
In den angestrebten Gesundheitskonferenzen sieht Spies ebenfalls keine optimale Lösung. "Hier muss es Gespräche auf Landkreisebene geben und nicht in Regionen, die in einem Radius von 100 Kilometern liegen."
Auch FDP-Politiker Florian Rensch, der vor drei Jahren in der damaligen schwarz-gelben Landesregierung den Pakt mitgetragen hatte, sieht den Pakt als Instrument überfordert, die regionalen Versorgungsprobleme zu lösen.
Vor allem werde die stationäre Überversorgung im Rhein-Main-Gebiet nicht angegangen. Auch gebe es keine Vorgaben an die Qualität von medizinischen Leistungen.
Für die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, Marjana Schott, muss die Diskussion um Überversorgung noch früher beginnen. "Nie haben wir die Frage geklärt, welche Klinik und welchen Arzt wir wo brauchen."
Um den Versorgungsbedarf in Hessen zu ermitteln, soll ein Atlas erarbeitet werden, in dem auch die Zahl der Pflegedienste, Apotheken sowie Mobilitätsstrukturen vor Ort erfasst werden sollen, kündigte CDU-Sprecher Bartelt an.
Ziele des Pakts
Ärztliche Ausbildung: Überprüfung der Auswahlkriterien für das Medizinstudium, Stärkung der Allgemeinmedizin in der Ausbildung.
Allgemeinmedizinische Weiterbildung: Schaffung einer Koordinierungsstelle bei der KV, Aufbau und Förderung von Kompetenzzentren Allgemeinmedizin in Frankfurt und Marburg mit jährlich 150.000 Euro.
Förderung von Ärzten in schwach versorgten Gebieten: Förderung der Niederlassung durch Darlehen der Wirtschafts- und Infrastrukturbank, je 200.000 Euro von Land, KV und Kassen zur Förderung der Niederlassung, maximal 50.000 Euro pro Praxis.
Modellprojekte zur Delegation ärztlicher Leistungen: Erprobung von Evaluierung von drei Modellvorhaben.
Pendel- und Begleitdienste für Patienten: Unterstützung für Mobilitätsdienste, die den Zugang zur medizinischen Versorgung erleichtern.