Genossenschaft

"Die Stimmung kann schnell umschlagen"

Die Ärztegenossenschaft Nord, einst als Parallelorganisation zur KV gegründet, "leidet" unter der relativen Zufriedenheit ihrer Mitglieder. Denn in ruhigen Zeiten wird sie nicht gebraucht.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Dr.Klaus Bittmann ist Sprecher der Genossenschaft Nord – und verstärkt auf der Suche nach neuen Mitgliedern für das berufspolitische Gremium. © Dirk Schnack

Dr.Klaus Bittmann ist Sprecher der Genossenschaft Nord – und verstärkt auf der Suche nach neuen Mitgliedern für das berufspolitische Gremium. © Dirk Schnack

© Dirk Schnack

RENDSBURG. Die Ärztegenossenschaft Nord sucht nach Wegen, junge Ärzte von ihrem Konzept zu überzeugen. Der als Parallelorganisation zur KV gegründeten Organisation fällt es schwer, neu niedergelassene Ärzte mit ihrer Idee anzusprechen.

Am Jahresende 2016 waren noch 1842 Ärzte aus Schleswig-Holstein und Hamburg Mitglieder der Genossenschaft, doch dies sind inzwischen rund 400 weniger als zu den besten Zeiten und 57 weniger als nur ein Jahr zuvor. Zwar treten weiterhin Ärzte in die Genossenschaft ein – aber noch mehr Genossenschaftsmitglieder geben derzeit ihre Praxen auf und verlassen damit die Organisation.

Den Nettoverlust an Mitgliedern sieht Dr. Klaus Bittmann auch darin begründet, dass es aktuell keine existenzbedrohenden politischen Bestrebungen gibt. "Es ist nicht die Zeit für Proteste, die Mehrheit der Ärzte ist zufrieden", stellte Bittmann als Sprecher der Genossenschaft auf der jüngsten Generalversammlung in Rendsburg fest. Diese Zufriedenheit führe bei vielen jungen Kollegen zu der Frage, weshalb sie einer in Protestzeiten gegründeten Parallelorganisation beitreten sollten. Bittmann gab zu bedenken, dass politische Stimmungen schnell umschlagen können – und dass die Ärzte deshalb gut beraten sind, eine Parallelorganisation zu erhalten: "Wenn es sein muss, organisieren wir Protest."

Zur Gründung im Jahr 2000 und in den Folgejahren waren zahlreiche Ärzte in die Genossenschaft eingetreten, nachdem die Politik das System der Kassenärztlichen Vereinigungen vorübergehend in Frage gestellt hatte. Um die Interessen der niedergelassenen Ärzte weiterhin vertreten zu können, gründeten die Ärzte eine Parallelorganisation, die von der Politik nicht aufzulösen ist und die zu Beginn auch vom damaligen KV-Vorsitzenden geführt wurde. Das half vielen Mitgliedern, trotz der politischen Bedrohungen eine dauerhafte Perspektive in der Niederlassung zu sehen.

Ärzte, die sich seit Gründung der Genossenschaft für eine Tätigkeit in der ambulanten Versorgung entschieden haben, kämpfen mit anderen Problemen. In Schleswig-Holstein, dem Bundesland mit den meisten Genossenschaftsmitgliedern, gibt es inzwischen mehr als 1000 Ärzte in der ambulanten Versorgung, die angestellt arbeiten. Diese Zielgruppe hat die Ärztegenossenschaft zwar im Auge, bislang aber nicht wie erwünscht erreicht. Besser sieht es mit dem Kontakt zu den Ärztenetzen aus – hier bestehen große Schnittmengen in den Überzeugungen. Ein wichtiges Ziel: "Netze sollten Versorgerstatus erhalten", so Bittmann.

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Kommentare
Wolfgang Bensch 10.06.201717:04 Uhr

Das Problem der "Multifunktionäre" - hier Kollege Bittmann

Natürlich proklamieren alle, dass sie die "Interessen" ihrer Mitglieder vertreten und tun dies auch durch Vorstandsposten innerhalb kassenärztlicher Vereinigungen wie es bei Herrn Bittmann der Fall war.
Vermutlich führt dies dazu, dass stets "Glaubensbekenntnisse" nach diesem Muster abgegeben werden:
"Wenn es die kassenärztlichen Vereinigungen nicht schon so lange geben würde, müsste man sie glatt erfinden ..."

Auf diese Art und Weise scheitern eben vermeintliche "Protestgründungen" wie das beschriebene Modell im Norden, weil Multifunktionäre nur mehrgleisig und niemals eingleisig vorwärts streben.

Jürgen Schmidt 09.06.201706:12 Uhr

As time goes by

Ich bin ein Jahr älter als der ebenfalls betagte Kollege Bittmann und kenne ihn gut aus vergangenen Zeiten.
Als ich kürzlich altersneugierig auf die Website der Genossenschaft geriet und mir dann auch die Aufzeichnung des monatlichen berufspolitischen smalltalk des Vorsitzenden ansah, erlebte ich ein ungewohntes Gefühl, nämlich Mitleid.
Wenn es nur die Zufriedenheit mit der wirtschaftlichen Lage und den Arbeitsbedingungen wäre, die an der Zuneigung zu den berufspolitischen Organisationen zähren würden, müsste sich man sich weniger Sorgen machen. Aber bei mir wächst die Einsicht, die mir Bittmans Vorgänger schon vor 25 Jahren vermitteln wollte: Wir sind kein Stand mehr !
Es gibt genug Vorkommnisse, dieses Defizit zu beklagen. Wir sollten eigentlich nicht warten, bis die gesundheitspolitischen Kettenhunde,die in der gegenwärtigen Koalition gebändigt sind, wieder von der Leine gelassen werden.
Insofern haben Artikel, wie der vorliegende, doch etwas mehr als Erinnerungswert.

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