Gutachten des Sachverständigenrats
Die ePA, der Datenschutz und die Blackbox
Testergebnis sofort aufs Smartphone: Die Pandemie zeigt, dass Digitalisierung sogar von Befundübermittlungen machbar ist. Diesen Schwung wollen der Sachverständigenrat und der Gesundheitsminister nutzen.
Veröffentlicht:Berlin. Mit Videosprechstunden und elektronischer Patientenakte soll es nicht getan sein. „Wir müssen das Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens in den 20er-Jahren hochhalten“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei einem hybriden Symposium des Sachverständigenrates Gesundheit am Donnerstag in Berlin. Der hatte im März ein Gutachten „Digitalisierung für Gesundheit“ vorgelegt. Die gewünschte Fernwirkung soll nun kommende Woche bei der Vorstellung des Gutachtens im Gesundheitsausschuss des Bundestages erzeugt werden.
Für den Gesundheitsminister ist der Umgang mit den Gesundheitsdaten auch eine Frage der Souveränität. „Ich will nicht, dass Apple und Alibaba unsere Daten haben“, sagte er bei der Podiumsdiskussion. Gleichwohl übten die Vertreter der Selbstverwaltung leise Kritik an den Datenschutzvorgaben, mit denen die elektronische Patientenakte (ePa) an den Start geht.
Bessere Kooperation von Ärzten?
Er hege Zweifel, ob das an sich „gute Instrument“ ePA die ärztliche Zusammenarbeit verbessere, solange die Daten für die Leistungserbringer nur zum Teil einsehbar seien, sagte KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel.
Die ePA sei die Königsdisziplin der Digitalen Gesundheitsanwendungen, ergänzte die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes Dr. Doris Pfeiffer. Beim Nutzen der Akte müsse auch die Kollektivebene in den Blick genommen werden. Über die Daten könne auf vielen Versorgungsebenen Transparenz hergestellt werden. „Wir müssen den Professionen den Nutzen der Digitalisierung zeigen“, sagte DKG-Chef Dr. Gerald Gaß. Auch er hob auf den kollektiven Nutzen ab, plädierte mithin für ein Opt-out Verfahren bei den Einsichtsrechten für Leistungserbringer. Geplant ist jedoch ein Opt-in-Verfahren, bei dem jeder Nutzer jedem Leistungserbringer jeweils vorhergehenden Zugriff auf die Akte gewähren muss.
Vor der Diskussion hatten Vertreterinnen und Vertreter des Sachverständigenrates ihre Thesen des im März übergebenen Gutachtens „Digitalisierung für Gesundheit – Ziele und Rahmenbedingungen eines dynamisch lernenden Gesundheitssystems“ verteidigt.
„Wir wissen über die Versorgung zu wenig“
„Wir wissen über die Versorgungssituation zu wenig“, sagte SVR-Vorsitzender Professor Ferdinand Gerlach. Deshalb sei die Wirkung neuer Gesundheitsgesetzgebung nur schwer abzuschätzen. Dafür müsse es mehr Daten geben, perspektivisch auch die aus der ePA, sofern der Besitzer nicht ausdrücklich widersprochen habe. Dies sei in anderen Ländern möglich, in denen die Europäische Datenschutzgrundverordnung gelte.
„Wir in Deutschland gucken in eine Blackbox“, sagte Gerlach. Wenn die Bedingungen stimmten, sollte die Industrie beim geplanten Forschungsdatenzentrum anonymisierte Daten beantragen dürfen. Wie wichtig dies sei, zeige die Pandemie und der davon ausgelöste Bedarf an Gesundheitsdaten.
Derzeit gebe es die befremdliche Situation, dass Forscher in Deutschland auf die Datenbestände anderer Staaten zugreifen, bis zu solchen in den USA, ergänzte SVR-Mitglied Professor Jonas Schreyögg. Diese Daten würden in der Zukunft großen Einfluss in der Forschung gewinnen, vor allem auf der ökonomischen Ebene.
Virenfreie Zugangswege nötig
Digitale Gesundheits-Apps können seit November 2020 von den Kassen erstattet werden. Zwölf Anwendungen sind bislang zugelassen. Wettbewerbsprobleme machte Professor Beate Jochimsen, Mitglied des SVR aus. Derzeit gebe es mit Apple und Google nur zwei relevante Plattformen zum Laden von Gesundheits-Apps. Die Regierung sei gefordert, für garantiert virenfreie Zugangswege zu sorgen. Eine Möglichkeit sei, das Nationale Gesundheitsportal zur Plattform für erstattbare Gesundheits-Apps aufzuwerten, so Jochimsen.
Das Wissen um Digitalisierung und den Einsatz von Apps bedürfe auch einer didaktischen Aufbereitung, forderte SVR-Mitglied Professor Gabriele Meyer. Es gebe bislang keine Definition von digitaler Gesundheitskompetenz. In den Curricula der Heil-und Pflegeberufe sowie in den Schulen müsse eine Vermittlung dieser Kompetenzen aufgebaut werden, die „Dr. Google“ Paroli bieten könne.