Recht auf körperliche Selbstbestimmung

EU-Parlament will Recht auf Abruptio in Grundrechte-Charta aufnehmen

Das EU-Parlament fordert in einer Resolution die Regierungschefs aller 27 Mitgliedsstaaten auf, das Recht auf körperliche Selbstbestimmung in ihre Gesetzgebung aufzunehmen. Von der notwendigen Einstimmigkeit ist das Gremium jedoch weit entfernt.

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Brüssel. Es war auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs, als Donald Tusk der Bevölkerung versprach: „Jede polnische Frau wird selbst über ihre Mutterschaft entscheiden können.“ Die Frauen würden ihre Würde und ihr Glück wiederbekommen. Ein halbes Jahr später ist Tusk Ministerpräsident – und er klingt deutlich zurückhaltender bei dem zentralen Projekt. Die Liberalisierung des Abtreibungsrechts stockt, weil sich die Koalition in Warschau nicht einigen kann. Dementsprechend steigt die Wut zahlreicher Polinnen, die mittlerweile wieder auf die Straße gehen.

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Denn die Gesetzgebung zum Recht auf Abruptiones ist in dem Land derzeit eine der strengsten in der Europäischen Union. „Von Polen und Malta bis Ungarn und Rumänien verweigern EU-Mitgliedstaaten Frauen das Recht, über ihren eigenen Körper zu bestimmen“, kritisierte die Grünen-Europaabgeordnete Pierrette Herzberger-Fofana. Auch wenn Tusk die Lockerung in naher Zukunft durchsetzen sollte, in anderen EU-Mitgliedstaaten bleiben äußerst restriktive Gesetze, nach denen der Staat eine Abruptio nur unter extrem eng definierten Umständen erlaubt. „Die Verweigerungspolitik bezahlen Frauen immer wieder mit dem Leben, damit muss Schluss sein“, so Herzberger-Fofana.

Freier Zugang zu sexueller Gesundheit

In einer Resolution forderte deshalb eine Mehrheit des EU-Parlaments die Staats- und Regierungschefs der 27 Hauptstädte auf, das Recht auf körperliche Selbstbestimmung in die EU-Grundrechtecharta aufzunehmen. Das beinhalte einen freien, informierten, umfassenden und allgemeinen Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheit – „einschließlich des Zugangs zu einem sicheren und legalen Schwangerschaftsabbruch“. Ein solcher Antrag ist nicht bindend. Für Änderungen bräuchte es die Einstimmigkeit der EU-Mitgliedsstaaten – zum jetzigen Zeitpunkt kaum vorstellbar.

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Das Parlament sende jedoch „ein extrem wichtiges Signal für Rechte und Gesundheit von Frauen“, sagte die Ko-Vorsitzende von Europas Grünen, Terry Reintke. „Das Grundrecht auf Abtreibung wird nicht nur auf der anderen Seite des Atlantiks eingeschränkt, auch in der EU steht das Recht von Frauen auf legalen und sicheren Schwangerschaftsabbruch auf der Kippe.“ Es sei „höchste Zeit“, so Reintke, dass die Gemeinschaft dem Beispiel Frankreichs folge. Erst Anfang März stimmte in Paris eine Mehrheit des Parlaments für die Verankerung des Rechts auf Abruptio in die Verfassung. Damit wird Frankreich das erste und bislang einzige Land der Welt, das der „garantierten Freiheit“ der Frauen, sich für einen Schwangerschaftsabbruch zu entscheiden, den höchsten Schutz zukommen lässt, wie es damals hieß.

Frankreich als Vorbild

Die Möglichkeit, legal abzutreiben, wird in Frankreich überwiegend als bedeutende gesellschaftliche Errungenschaft angesehen. Geht es nach dem EU-Parlament, soll Paris als Vorbild für den Rest Europas dienen. Die Abgeordneten wollen erreichen, dass Schwangerschaftsabbrüche verpflichtender Teil des Medizinstudiums in allen EU-Ländern werden.

Insbesondere ärmeren Menschen müsse der Zugang zu Verhütungsmitteln und Familienberatungen ermöglicht werden, heißt es in dem Antrag weiter, der von Parlamentariern der Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken sowie von einigen schwedischen Volksvertretern, die zur konservativ-christdemokratischen Gruppe der Europäischen Volkspartei (EVP) gehören, eingebracht wurde. Ein Gegenentwurf der EVP, der auf die Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten verweist und mehr Unterstützung für Schwangere und Mütter verlangt, erhielt keine Mehrheit.

Während in den vergangenen Jahren viele EU-Länder von Irland bis Spanien ihre Abtreibungsgesetze überarbeiteten und Maßnahmen, die einen sicheren Schwangerschaftsabbruch schwer oder sogar illegal machten, abschafften, ist eine Abtreibung in Deutschland grundsätzlich strafbar – es sei denn, der Abbruch findet in den ersten zwölf Wochen statt und die Frau hat sich zuvor beraten lassen. Dann gilt Straffreiheit. (kap)

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