Arzneiverordnungsreport
EU-Preisreferenz kann Ausgabenbremse sein
Die Autoren des Arzneiverordnungsreports 2020 schlagen europäische Preisvergleiche vor, um zusätzliche Einsparpotenziale zu generieren.
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Die Arzneimittelausgaben in der GKV sind im Vorjahr auf 43,4 Milliarden Euro gestiegen. Die Autoren des AVR-Reports sehen weitere Einsparpotenziale.
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Frankfurt/Main. Um die steigenden Arzneimittelkosten in Deutschland wirksam in den Griff zu bekommen, ist ein Vergleich mit den Kosten in anderen europäischen Ländern erforderlich. Diese Auffassung vertreten die Autoren des Arzneiverordnungsreports (AVR) 2020, der am Dienstag bei einer pharmakologischen Fortbildungsveranstaltung in Frankfurt am Main vorgestellt wurde.
Die Arzneimittelausgaben in Deutschland sind den Zahlen zufolge im vergangenen Jahr um 5,4 Prozent auf 43,4 Milliarden Euro gestiegen. Professor Ulrich Schwabe, Mitautor des AVR, stellte im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ klar, dass er weiteres Einsparpotenzial in Höhe von rund vier Milliarden Euro sieht.
Gesetzliche Ausgabenbremsen sind effektiv
Zugleich räumte Schwabe ein, dass gesetzliche Maßnahmen zu „sehr hohen Einsparungen“ geführt hätten. Sie werden im AVR auf 16,8 Milliarden Euro beziffert.
Ursache des Kostenschubs sind aus Sicht der AVR-Verfasser vor allem neue, hochpreisige und patentgeschützte Arzneimittel – sie seien im Vergleich in den vergangenen zehn Jahren um das Sechsfache teurer geworden. „Das ist eine Entwicklung, die uns sehr beunruhigt“, sagte Schwabe.
Die vielfältigen Kostendämpfungsmaßnahmen im Arzneimittelsektor entfalten dem AVR zufolge durchaus ihre Wirkung. Die Festbeträge haben danach im vergangenen Jahr die Kassen um 8,2 Milliarden Euro entlastet. An zweiter Stelle stehen die Rabattverträge zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen, mit deren Hilfe nach Schwabe-Angaben rund fünf Milliarden Euro gespart wurden.
Beide Maßnahmen betreffen vor allem den Generikamarkt.
Bei patentgeschützten Arzneimittel wirkt das AMNOG-Verfahren, die frühe Nutzenbewertung mitsamt den Erstattungsbeträgen. Das AMNOG führte laut Schwabe 2019 zu Einsparungen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im Jahr zuvor waren die Einsparungen als Folge des AMNOG noch auf 2,7 Milliarden Euro geschätzt worden.
Zwei Milliarden Euro Einsparpotenzial bei Biosimilars
Die Verfasser des Berichts nennen konkrete Einsparpotenziale: Bei Patentarzneimitteln seien auf der Basis von europäischen Preisvergleichen Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro möglich. Bei Biosimilars wird das Sparpotenzial auf zwei Milliarden geschätzt – auch hier mit Hilfe von europäischen Preisvergleichen.
Und schließlich könnten die Ausgaben bei sogenannten umstrittenen Arzneimitteln dem AVR zufolge um weitere 500 Millionen Euro gesenkt werden – etwa bei Expektorantien, Antacida oder Homöopathika.
Immer wieder haben die Verfasser des Arzneiverordnungsreports in den vergangenen Jahren vor Fehlentwicklungen auf dem Arzneimittelmarkt gewarnt – und sind mit ihrer Einschätzung regelmäßig auf Widerspruch gestoßen.
„Das System ist im Gleichgewicht“, stellte Han Steutel, Vorsitzende des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen (vfa), im vergangenen Jahr unmissverständlich klar.
Ausgabensteigerung für Arzneimittel
Er verwies darauf, dass die Ausgabensteigerung für Arzneimittel zwischen 2008 und 2018 im jährlichen Mittel bei 3,1 Prozent gelegen habe. Dieser Wert liege unter den Preissteigerungen für Ärzte, Krankenhäuser, Pflege, Krankengeld und Heilmittel, sagte Steutel.
Der Arzneiverordnungs-Report ist seit 1985 eine gemeinsame Publikation von Autoren aus Pharmakologie, Klinik, Praxis, Gesundheitsökonomie und Krankenversicherung. Basis sind die Verordnungsdaten von Arzneimitteln für ambulante Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Datenbasis des Jahres 2019 sind 820 Millionen Verordnungen von 179.805 Vertragsärzten und 63.360 Vertragszahnärzten für 73,195 Millionen GKV-Versicherte.