Korrespondent Arndt Striegler bloggt
"Es wird nichts sein wie früher!"
Es ist eine Zeitenwende für Großbritannien und für die Europäische Union: Ein Land steigt aus dem Club der bisher 28 Staaten aus. Der Korrespondent der "Ärzte Zeitung" in Großbritannien begleitet den Brexit in einem Blog und zeigt die Folgen für das britische Gesundheitswesen auf.
Veröffentlicht:LONDON. Um es vorwegzunehmen: ich bin nicht der typische Blogger. In meinem Büro steht noch eine Fax-Maschine und noch immer weiß ich nicht genau, was der Unterschied ist zwischen "WLAN" und "WIFI". Dass ich dennoch diesen Blog starte, hat damit zu tun, dass vor etwas mehr als einem Jahr, am 23. Juni 2016, für mich, der seit 31 Jahren in Großbritannien lebt, eine Welt zusammen brach: Brexit!
Was ich seitdem in diesem Land erlebe – sei es beim Besuch meiner Hausarztpraxis im überwiegend von Portugiesen bewohnten Londoner Stadtteil Vauxhall oder beim Check-up im Londoner Krankenhaus St. Thomas –, ist ungewöhnlich. Das Land und sein Gesundheitssystem befinden sich in einem großen Umbruch.
Der Brexit betrifft nicht nur Londoner Politiker und Brüsseler Beamte, die in komplizierten Verhandlungen die Details der britischen Scheidung von Europa austüfteln müssen. Brexit betrifft Ärzte, darunter auch deutsche Ärzte, die oftmals seit vielen Jahren in Großbritannien leben und arbeiten. Der Brexit betrifft Krankenschwestern und -pfleger, ohne die der staatliche britische Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) nicht funktionieren würde. Der Brexit betrifft auch Patienten wie mich, die nicht länger sicher sein können, nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU noch Anspruch auf Gesundheitsleistungen auf der Insel zu haben. Das alles ist – nebenbei gesagt – ziemlich nervenaufreibend.
Wie auch immer die Austritts-Modalitäten letztlich aussehen werden, wenn Großbritannien im März 2019 die EU verlässt: Es wird nichts mehr so sein im britischen Gesundheitsdienst wie früher. Rund 55.000 der etwa 1,2 Millionen Mitarbeiter des NHS stammen aus anderen EU-Staaten. Bei Haus- und Klinikärzten liegt der Anteil von EU-Medizinern bei immerhin rund zehn Prozent (vier Prozent im Pflegebereich).
Schon jetzt beobachte ich einen Exodus aus Großbritannien. Sei es in meiner örtlichen Hausarztpraxis, wo bis vor Kurzem noch eine charmante polnische Rezeptionistin arbeitete, die im Mai zurück nach Lodz ging, weil sie die Unsicherheit nicht länger ertragen konnte und wollte.
Oder sei es in meinem örtlichen Krankenhaus, wo inzwischen ein Pflegenotstand herrscht, weil dutzende EU-Pflegekräfte in den vergangenen Monaten das Weite gesucht haben.
Für das britische Gesundheitssystem geht es ans Eingemachte. Und genau darum soll es in meinem Blog gehen. Ich möchte in regelmäßigen Blogbeiträgen schildern, wie sich die Dinge hier auf der Insel in Zeiten des Brexit verändern.
Mit Worten des Popstars David Bowie kann ich prophezeien: "Ich weiß nicht, wohin die Reise gehen wird. Aber ich verspreche, langweilig werden wird's nicht!" Happy Blogging!
Der Brexit-Blog der "Ärzte Zeitung"
» Seit mehr als zwei Jahrzehnten berichtet Arndt Striegler für die „Ärzte Zeitung“ aus Großbritannien. Den Umbruch durch den Brexit spürt er am eigenen Leib – etwa als Patient im Gesundheitsdienst NHS.
» Die Versuchsanordnung ist einmalig: Ein von der Globalisierung geprägtes Gesundheitswesen soll renationalisiert werden. Das durchkreuzt Lebenspläne von Ärzten und Pflegekräften aus dem Ausland.
» Im Wochenrhythmus schildert Blogger Arndt Striegler, der seit 31 Jahren auf der Insel lebt, von nun an die politischen und kulturellen Folgen des Brexit.