Moralische Pflicht
Ethikrat gegen generelle Masern-Impfpflicht
Jede Person ist moralisch verpflichtet, sich und die eigenen Kinder gegen Masern impfen zu lassen, findet der Deutsche Ethikrat. Einen Impfzwang für alle Kleinkinder lehnt das Gremium ab.
Veröffentlicht:BERLIN. Eine Masern-Impfpflicht für Kinder und Jugendliche hält der Deutsche Ethikrat für nicht geboten.
Staatliche Zwangsmaßnahmen wie zum Beispiel der Ausschluss von Kindern aus Kindertagesstätten seien aus ethischer Sicht nicht zu rechtfertigen, sagten Vertreter des Rates am Donnerstag in Berlin.
Grund seien die hohen Impfquoten von 97 Prozent für die erste und 93 Prozent für die zweite Impfung, so der Vorsitzende des Ethikrates Professor Peter Dabrock.
Die für einen Gemeinschaftsschutz bei Masern notwendige Quote beider Impfungen von 95 Prozent sei damit aber noch nicht erreicht.
In einer ersten Reaktion sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dass er es gleichwohl für notwendig erachte, die Masernimpfung auch für Kinder verbindlich zu machen.
„Moralische Verpflichtung“
Grundsätzlich sieht eine Mehrheit der Ratsmitglieder in der am Donnerstag vorgestellten Stellungnahme „Impfen als Pflicht“ die „moralische Verpflichtung“ zur Masernimpfung. Für Ärzte, Gesundheits- und Pflegepersonal sowie Lehrer und Erzieher sei die Masernimpfung sehr wohl geboten, betonten die Ratsmitglieder.
In der erwachsenen Bevölkerung seien die Impflücken weit aus größer als bei Kindern. Für nicht geimpfte kämen auch Tätigkeitsverbote in Frage. Ein Mitglied des Rates hat in einem Sondervotum jegliche Einmischung des Staates in dieser Frage abgelehnt.
Die Koalition hat Anfang Mai einen Gesetzentwurf für eine Impfpflicht gegen Masern ab März 2020 vorgestellt. Sie soll sowohl für die Kinder in Kitas und Schulen als auch für das Personal und für Ärzte und Angehörige von Pflegeberufen gelten.
Laut Gesetzentwurf sollen ungeimpfte Kinder vom Besuch der Kita ausgeschlossen werden könne, Eltern ungeimpfter schulpflichtiger Kinder sollen mit Geldstrafen bis zu 2500 Euro belegt werden können.
Noch im Juli soll es dazu einen zwischen den Ressorts abgestimmten Regierungsentwurf geben. Der Impfpflicht gegen Masern folgt zwangsläufig auch eine gegen Mumps und Röteln, je nach Produkt auch gegen Varizella-Zoster-Viren. Einen Einzelwirkstoff nur gegen Masern gibt es nicht mehr.
Opposition stimmt Ethikrat zu
Aus der Opposition wurde Zustimmung zur Haltung des Ethikrates laut. „Wir brauchen eine Konzertierte Aktion Impfen, sagte der FDP-Gesundheitsexperte Dr. Andrew Ullmann. Eine Impfpflicht für Kinder sei dafür nicht notwendig.
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat ebenfalls am Donnerstag dazu ein Diskussionspapier veröffentlicht. Die Autoren plädieren darin für genauere Untersuchungen dazu, warum Schutzimpfungen in Anspruch genommen oder abgelehnt werden. Darauf sollten Informationskampagnen dann aufbauen können.
Der Ethikrat gründet seine Ablehnung einer Impfpflicht für Kinder auch auf das Recht der Eltern, „frei von staatlichem Einfluss nach eigenen Vorstellungen darüber zu entscheiden, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen“.
Eine Impfpflicht müsse auch als nicht zu rechtfertigender Eingriff in Elternrechte verstanden werden.
Petition gegen Impfpflicht
Derweil wurde bekannt, dass über 143.000 Unterschriften auf der Plattform openPetition gegen die Impfpflicht gesammelt und an das Bundesgesundheitsministerium übergeben worden sind. Ein Zusammenschluss von Ärzten und Fachleuten forderte mit der Online-Petition “Deutschland braucht keine Impfpflicht!“ die Bundesregierung und die Mitglieder des Deutschen Bundestages auf, jede Gesetzesinitiative zur Einführung einer Impfpflicht gegen Masern zu unterlassen und das Recht auf freie und individuelle Impfentscheidung anzuerkennen.
Wir haben den Beitrag aktualisiert am 27.06.2019 um 16:29 Uhr.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Besser Aufklärung als Pflicht