COVID-19
Experten: Corona-Krise könnte Impfbereitschaft fördern
Bei Protest-Demos gegen die Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie gehen auch Impfgegner auf die Straße. Generell dürfte die Impfbereitschaft im Zuge der Krise aber zunehmen, vermuten Experten.
Veröffentlicht:Erlangen. Viele Menschen warten sehnsüchtig auf eine Impfung gegen das neue Coronavirus. Doch es gibt auch gegenteilige Ansichten: Bei den Protest-Demonstrationen am Wochenende gegen die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie waren auch Impfgegner mit dabei.
Nach Ansicht von Bernd Harder, Sprecher der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), könnte die Corona-Pandemie Impfskeptiker aber eher dazu bewegen, künftig mehr auf Schutzimpfungen zu vertrauen. „Weil sie sehen, wie eine Welt ohne Impfen aussehen könnte.“
Protest zunächst gegen Masernimpfpflicht
Impfkritiker hatten zunächst vor allem gegen die Impfpflicht bei Masern demonstriert, die seit März in Deutschland gilt. Im Zuge der Corona-Pandemie und der Kontaktbeschränkungen war es ruhiger geworden.
Nun protestieren Impfgegner wieder – zusammen mit Verschwörungstheoretikern, Rechtsextremisten und Wutbürgern. Im Internet sammeln sie mit Online-Petitionen Unterschriften gegen eine angeblich vorgesehene Zwangsimpfung gegen Corona.
Für die harten Impfgegner sei das nur die Fortsetzung des Kampfes gegen die Masern-Impfpflicht, so Harder. „Sie gehen davon aus, dass jetzt die nächste Stufe gezündet wird, dass es eine Corona-Zwangsimpfung geben wird“, erklärte er. „Sie sehen sich im Kampf gegen eine Diktatur des Impfens.“
Corona-Pandemie hat viele aufgerüttelt
Viele Menschen aber hat die Corona-Pandemie aufgerüttelt. Denn sie führt uns vor Augen, wie sehr Viren unsere Gesellschaft, unseren Wohlstand und unsere Existenz bedrohen können. „Mein Eindruck ist, dass die große Mehrheit der Bevölkerung dem Impfgedanken sehr zugeneigt ist“, sagte der Erlanger Infektionsimmunologe Professor Christian Bogdan, der auch Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) ist.
Nur die deutlich kleinere Gruppe der strikten Impfgegner fühle sich durch die Corona-Krise und die Maßnahmen, diese einzudämmen, bestätigt, sagte Harder. „Die behaupten einen Totalitarismus, wo es eigentlich eine gesellschaftliche Übereinkunft gibt.“
Praxen melden Terminabsagen
Derzeit könnte im Zuge der Corona-Krise etwas weniger geimpft werden als üblich: Eine Befragung von 1000 Menschen im Auftrag eines Konsortiums, zu dem auch das RKI gehört, ergab jüngst, dass 30 Prozent von 132 geplanten Impfungen bei Erwachsenen und 35 Prozent von 75 geplanten Impfungen bei Kindern abgesagt wurden – entweder von den Ärzten oder den Patienten.
Einen Hinweis auf sinkende Impfbereitschaft könne man aus dem COVID-19 Snapshot Monitoring (Cosmo) nicht ablesen, sagte der Erlanger Experte Bogdan. „Dieses untersucht nicht, ob die Impfbegeisterung beeinträchtig ist, sondern ob Impfungen während der COVID-19-Pandemie genauso wahrgenommen werden wie vorher.“
In der Corona-Pandemie mieden viele Menschen Arztpraxen aus Angst, sich dort anzustecken. Das bestätigt Dr. Brigitte Dietz vom Berufsverband für Kinder- und Jugendärzte in Bayern. „Es ist prinzipiell eine Verunsicherung bei den Eltern zu spüren“, sagte sie. Deshalb komme es zurzeit etwas häufiger vor, dass diese Termine absagten.
Die Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigungen spiegeln die Entwicklung noch nicht wider. Bei den Daten gebe es einen Zeitverzug von mindestens drei Monaten, sagte ein Sprecher des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland. Deshalb würden diese frühestens Mitte Juni vorliegen.
STIKO warnt vor Impflücken
Die STIKO warnt davor, Routine-Impfungen zu verschieben, wenn man nicht erkrankt ist. Dadurch könnten Impflücken entstehen. Und wer glaubt, durch eine Impfung sein Immunsystem zu schwächen, den kann Bogdan beruhigen. „Dafür gibt es keine Evidenzen“, sagte er. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall: „Es gibt Hinweise, dass bestimmte Impfungen wie ein Training für das Immunsystem wirken, dieses also stärken.“ (dpa)