Digitaler Parteitag
FDP: Mehr Effizienz durch Innovation, Digitalisierung, Entbürokratisierung
Mit Innovationen, Digitalisierung und Entbürokratisierung will die FDP die in Medizin und Pflege tätigen Menschen entlasten. Und die Versorgung in einem pluralistischen und wettbewerblichen orientierten Gesundheitswesen sicherstellen.
Veröffentlicht:Berlin. „Nie gab es mehr zu tun“ – unter dieser Schlagzeile steht das liberale Wahlprogramm, das der digitale FDP-Parteitag am Sonntag verabschiedet hat. Die fünf Seiten des Kapitels zu Gesundheit und Pflege stehen dazu in gewissem Kontrast.
Besonders auffällig: Trotz ausgabentreibender Gesetze, seit 2020 einbrechender Einnahmen und wachsender Defizite in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind Finanzierungsprobleme kein Thema des liberalen Wahlprogramms. Den Gesundheitspolitikern der FDP ist die Herausforderung allerdings bewusst: Sach- und versicherungsfremde Leistungen in der GKV müssten deshalb in der nächsten Legislaturperiode unbedingt auf den Prüfstand, so Professor Andrew Ullmann, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP zur „Ärzte Zeitung“. Keine Abstriche dürfe es aber bei der Leistungsfähigkeit der Versorgung und beim Zugang zu Innovationen geben, versicherte Ullmann.
Fachliche Unabhängigkeit und Stärkung des RKI
Eine wichtige Schlussfolgerung aus der Pandemie soll die Stärkung und die Unabhängigkeit des Robert Koch-Instituts (RKI) sein: Der Präsident und ein neu zu schaffender RKI-Vorstand sollen in fachlichen Fragen weisungsunabhängig sein. Der Staat müsse auf pandemische Notlagen mit verhältnismäßigen Maßnahmen reagieren können. „Das RKI darf keine politikabhängige Behörde sein, sondern ist nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank zu einer unabhängigen Institution umzuwandeln“, heißt es im Wahlprogramm.
In einem Programm-Appendix, auf den Ullmann hinweist, finden sich weitere Forderungen: die Stärkung der globalen Gesundheit angesichts von Pandemiegefahren durch bessere internationale Zusammenarbeit, personelle Aufstockung des RKI und Ausbau der Digitalisierung auf allen Ebenen des öffentlichen Gesundheitswesens.
Wahlprogramme und Forderungen
Themenseite zur vorgezogenen Bundestagswahl 2025
Um Engpässe in der Versorgung mit Arzneimitteln zu bekämpfen – ein Problem, das schon Jahre vor der Pandemie sichtbar geworden ist – sollen Maßnahmen ergriffen werden, die Produktion nach Deutschland oder in die WU zurück zu verlagern. Handlungsoptionen sind Abbau von Bürokratiepflichten, Investitionszuschüsse sowie Zuschüsse zur Versorgungssicherheit.
Mehr Geld für höhere Qualität
In der stationären Versorgung müsse die Investitionsfinanzierung für maximalversorgende und kleinere spezialisierte Krankenhäuser nachhaltig verbessert werden. Höhere Qualität müsse durch das Vergütungssystem honoriert werden.
Mit „klaren und transparenten Rahmenbedingungen“ soll die Digitalisierung vorangetrieben werden. Sie habe das „Potenzial, den Arbeitsalltag von allen Gesundheitsakteuren zu erleichtern. Krankenhäuser sind Innovationsmotoren in der Krankenversorgung. Digitale Infrastruktur und robotische Assistenzsysteme wollen wir hier gezielt fördern“.
Bürokratie: Wer sie bestellt, soll dafür zahlen
Einen Effizienzschub wollen die Liberalen durch Entbürokratisierung erreichen. Dazu müssten Bürokratie- und Berichtspflichten bepreist werden. Bezahlen soll sie künftig derjenige, der sie anfordert. Das Ziel: mehr Zeit für die unmittelbare Patientenversorgung zu gewinnen.
In der Präventionspolitik setzen die Liberalen weiterhin auf Selbstverantwortung und deren Stärkung durch bessere Gesundheitskompetenz. Deshalb müsse Kindern und Jugendlichen in Kitas, Schulen und Ausbildung ein gesunder Lebensstil vermittelt werden. Prävention, Krankheitsfrüherkennung und Gesundheitsförderung seien eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Mehr Anstrengungen seien notwendig für Innovationen bei Arzneimitteln, Medizintechnik und Digitalisierung. Dies müsse ein Schwerpunkt der Forschungsförderung sein, auch mit unbürokratischer Vergabe von Fördergeldern, vor allem an Start-ups.
Die FDP plädiert für ein liberales Sterbehilfegesetz, das dem Selbstbestimmungsrecht folgt. Es müsse möglich sein, ein letal wirkendes Medikament zu erhalten. Voraussetzung sei, dass der Sterbewunsch frei und eigenverantwortlich sowie im Vollbesitz der geistigen Kräfte gebildet worden ist.
Mehr Wahlfreiheit für die Pflege
Um die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern und damit den Beruf wieder für mehr Menschen attraktiv zu machen, setzt die FDP auf zwei Instrumente: Entbürokratisierung und Arbeitserleichterung durch Digitalisierung und Innovationen wie Robotik sowie eine Reform der Ausbildung, die im Berufsweg mehr Flexibilität und mehr Karrierechancen eröffnet. Innovationen können auch zu mehr Versorgungssicherheit von Pflegebedürftigen beitragen. Eine Option, so Andrew Ullmann, sei auch die Akquirierung ausländischer Pflegekräfte; den Effekt hält er aber eher für begrenzt und bislang nicht erfolgreich.
Pflegebedürftigen will die FDP mehr Wahlmöglichkeiten durch ein nach Pflegegraden gestuftes Budget eröffnen, innerhalb dessen Hilfen und Leistungen eigenständig disponiert werden können. Für die Finanzierung der Pflege wird ein Drei-Säulen-Modell vorgeschlagen: die umlagefinanzierte gesetzliche Pflegeversicherung sowie private und betriebliche Vorsorge. Die Pflegefinanzierung dürfe nicht allein auf zukünftige Generationen abgewälzt werden.
Lesen Sie auch den Kommentar: Liberales Wunschkonzert