Offener Brief an drei Minister
„Faktisches Berufsverbot“: Kritik an Mutterschutz reißt nicht ab
Vor drei Jahren wurde das Mutterschutzgesetz novelliert. Für Ärztinnen in der Weiterbildung hat es bislang nicht die erhofften Fortschritte gebracht. Woran es hapert.
Veröffentlicht:Berlin. Der Deutsche Ärztinnenbund (DÄB) lässt mit seiner Kritik an der Umsetzung des Mutterschutzgesetzes im Gesundheitswesen nicht locker. In einem Offenen Brief fordert der DÄB die drei Bundesminister für Gesundheit, Justiz und Soziales auf, der zum 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Novellierung des Gesetzes auch Taten folgen zu lassen. So solle der Ausschuss für Mutterschutz erforderliche Regeln und Handlungshilfen zügig konkretisieren.
Der Ausschuss war Teil der Reform. Seine Aufgaben sind:
- Art, Ausmaß und Dauer der möglichen unverantwortlichen Gefährdungen einer schwangeren oder stillenden Frau und ihres Kindes nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ermitteln und zu begründen
- Sicherheitstechnische, arbeitsmedizinische und arbeitshygienische Regeln zum Schutz der Schwangeren aufzustellen
- Das Bundesfamilienministerium in allen mutterschutzbezogenen Fragen zu beraten.
Zudem müssten die zuständigen Bundesministerien sowie die Arbeitsschutzbehörden ihrer Verantwortung für die Umsetzung des Mutterschutzgesetzes gerecht werden, fordern DÄB-Präsidentin Dr. Christiane Groß und Vizepräsident Dr. Barbara Puhahn-Schmeiser in dem offenen Brief.
„Realität ist verheerend“
Das Ziel des novellierten Mutterschutzgesetzes sei die diskriminierungsfreie Teilhabe von schwangeren Frauen an ihrem Arbeitsplatz gewesen. Der Bundesausschuss für Mutterschutz sollte die novellierte Gesetzgebung evaluieren und basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen optimieren. „Mehr als drei Jahre nach Einführung des Gesetzes ist die Realität verheerend“, lautet allerdings das Fazit des DÄB in dem Schreiben.
Es behindere schwangere Ärztinnen und andere Beschäftigte im Gesundheitswesen und mindere so ihre Karrierechancen. Juristische Formulierungen im Gesetzestext seien nicht eindeutig und daher weit auslegbar. „Selbst bei sehr gut dargelegter Gefährdungsbeurteilung, gewissenhafter Umgestaltung der Arbeitsbedingungen und Einhaltung strenger Schutzmaßnahmen durch den Arbeitgeber ist meistens eine Weiterbeschäftigung nicht möglich, weil die beaufsichtigenden Behörden Restrisiken nie als gänzlich ausgeschlossen ansehen“, schreiben Groß und Puhahn-Schmeiser.
Karriereknick beginnt manchmal schon im Studium
Pauschal dürften Schwangere in der Patientenversorgung nicht operativ oder interventionell tätig sein, teilweise dürften gar keine patientennahen Tätigkeiten mehr ausgeführt werden – aus Angst vor juristischen Konsequenzen und Haftungsfragen. In der Folge würden Ärztinnen Tätigkeiten zugewiesen, die nicht weiterbildungsrelevant seien – wie Briefeschreiben – oder sie erhielten ein Tätigkeitsverbot. So fielen sie beruflich zurück, kritisiert der DÄB. Für manche beginne der Karriereknick bereits im Studium, weil die Teilnahme an bestimmten Kursen nicht gestattet werde.
Der DÄB fordert deshalb, die Aus- und Weiterbildung durch sinnvolle Maßnahmen oder alternative Arbeitsplätze zu sichern. Zudem sei ein offizieller, bundeseinheitlicher Leitfaden für alle medizinischen Fachbereiche notwendig, der sich an Best-practice-Beispielen von Kliniken orientiere.