Reproduktionsmedizin

Flickschusterei statt Fortpflanzungsgesetz

Das vor 30 Jahren geschaffene Embryonenschutzgesetz kennt nur Verbote. Angesichts boomender „reproduktiver Reisen“ reicht das nicht mehr. Ein neuer Ordnungsrahmen muss her. Doch der Bundestag werkelt stets nur an neuen Gesetzes-Inseln.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Ein Masterplan zur Reproduktionsgesetzgebung muss her.

Ein Masterplan zur Reproduktionsgesetzgebung muss her.

© Matthias Haas / Fotolia

Bundesärztekammer, KBV und andere ärztliche Institutionen drängen seit langem auf ein konsistentes Fortpflanzungsmedizingesetz. Bislang vergeblich. Denn die Fraktionen im Bundestag legten stattdessen nur isolierte Einzelforderungen vor. So auch in dieser Woche, als im Gesundheitsausschuss des Bundestags Anträge von Grünen und Linksfraktion beraten wurden.

Die Grünen wollen auch für nicht verheiratete oder verpartnerte Paare einen gesetzlichen Anspruch auf teilweise Kostenübernahme der künstlichen Befruchtung erreichen. Die Linken streben gleich „die volle Erstattung“ der Kosten für medizinische Maßnahmen an, die zum „Wunschkind“ führen.

Ungeklärte Auslegungsfragen

Mit beiden Anträgen hat – nicht nur – die Bundesärztekammer Probleme. Denn sie würden neue Gesetzesinseln schaffen und viele Auslegungsfragen bei Ärzten abladen. So enthalten die beiden Fraktionsinitiativen Formulierungen wie „aus medizinischen Gründen“ oder „miteinander in einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft leben“. Was das genau meint, bleibt unklar. Wird eine Einzelfrage gesetzgeberisch geregelt, tun sich andernorts neue Fragen auf.

Würde im SGB V beispielsweise eine umfassende Kostenübernahme für die In-vitro-Fertilisation eingeführt, wären Paare benachteiligt, die auf natürlichem Wege Kinder bekommen können, wegen einer genetischen Prädisposition aber eine Präimplantationsdiagnostik vornehmen lassen wollen. Die Kosten dafür – mehrere tausend Euro – müssten sie selber tragen.

Dieses gesetzgeberische Durchwursteln nahm seinen Ausgang beim Embryonenschutzgesetz, das 1990 in Kraft trat. Seitdem hat der Bundestag mal auf Veranlassung von EU-Richtlinien wie beim Geweberecht, mal genötigt durch Gerichtsurteile wie bei der PID immer neue Gesetzesinseln geschaffen.

Jüngstes Beispiel ist das Samenspenderregister-Gesetz, das seit diesem Juli gilt. Angestoßen wurde die Gesetzgebung erst durch Urteile hoher Gerichte, die das Auskunftsrecht von Kindern verbrieften, die Identität des Spenders erfahren zu dürfen.

Entschließungen bei Ärztetagen

Regelmäßig haben sich seit Jahren Deutsche Ärztetage an dem Thema abgearbeitet, so zuletzt im vergangenen Jahr: „Eine Antwort auf die offenen Fragen in der Reproduktionsmedizin kann nicht eine Richtlinie der BÄK, sondern nur der Gesetzgeber geben“, heißt es in der Entschließung.

Die Liste ungeregelter, elementar das menschliche Leben berührender Fragen ist lang: Der Umgang mit der sogenannten „Dreierregel“, also der im Rahmen der assistierten Reproduktion entstehenden Zahl an Embryonen, die Embryonenspende als Sonderform der heterologen Verwendung von Keimzellen, Art und Umfang der ärztlichen Beratung zu in Deutschland nicht erlaubten Verfahren wie der Eizellspende – die Liste ließe sich fortsetzen.

Seit Jahren mühen sich Experten im außerparlamentarischen Raum darum, eine Diskussion anzuregen. Zuletzt haben Wissenschaftler an der Leopoldina im Oktober 2017 auf ein „Fortpflanzungsmedizingesetz für Deutschland“ gedrängt. Das Embryonengesetz enthalte nur strafrechtliche Verbote und erlaube „keine angemessene Reaktion auf die medizinische Entwicklung und den gesellschaftlichen Wandel“.

Längst praktizieren Paare in Deutschland mit Kinderwunsch, was in der Fachwelt als „reproduktives Reisen“ bezeichnet wird. Als Folge sind zwei Gruppen von Kindern entstanden: Die nach Samenspende in Deutschland geborenen Kinder haben ein  durchsetzbares Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung. Das gilt nicht für die zweite Gruppe von Kindern, die nach Eizellspende von einer anonymen Spenderin geboren wurden.

Längst ist das Thema bei Juristen angekommen – etwa, wenn sich Gerichte mit der Frage beschäftigen, welchen Status Kinder in Deutschland haben, die im Ausland durch eine Leihmutter geboren wurden. Selbst wertkonservative Vereinigungen wie der Deutsche Juristentag plädierten vor zwei Jahren dafür, die Elternschaft der „Wunscheltern“ eines durch eine Leihmutter geborenen Kindes solle im deutschen Recht „im Allgemeinen akzeptiert werden“.

Derweil gibt sich die große Koalition bei diesem Thema maximal ambitionslos. Man werde Anpassungen im Abstammungsrecht „prüfen“, heißt es im Koalitionsvertrag.

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