Brexit

Folgt jetzt ein Gerangel um die EMA?

Während die Regierung in London bei der Umsetzung des EU-Referendums auf Zeit spielt, beginnt andernorts bereits der Wettbewerb um die Verteilung des Bärenfells.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Wohin zieht die EMA, wenn Großbritannien aus der EU austritt?

Wohin zieht die EMA, wenn Großbritannien aus der EU austritt?

© Rozol / Fotolia

BONN. Das EU-Referendum, bei dem die Mehrheit der Briten gegen einen Verbleib in der EU gestimmt hat, wird auch Folgen für die Wirtschaft haben. Das ist - bei allen aktuellen Unsicherheiten - unstrittig.

Denn wenn Großbritannien aus der EU austritt, müssen etwa auf der Insel angesiedelte EU-Institutionen auf das verbleibende EU-Territorium umziehen: Neben der europäischen Polizeiakademie in Hampshire ist davon auch die Europäische Arzneimittelagentur EMA betroffen.

Mehr als 700 Mitarbeiter organisieren für den gesamten EU-Markt mit über 500 Millionen Einwohnern seit 1995 die Zulassung von Arzneimitteln - gemeinsam mit den nationalen Zulassungsbehörden.

In Schreiben an die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und an den Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan (CDU) hat sich inzwischen der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) mit Sitz in Bonn dafür ausgesprochen, den Sitz der EMA von London in die Bundesstadt am Rhein zu verlagern.

Als Gründe dafür nennt Dr. Hermann Kortland, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BAH, den Sitz des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte mit rund 1100 Mitarbeitern. Ferner haben entlang der Rheinschiene - von Leverkusen bis Basel - etliche international tätige Pharma-Unternehmen Hauptsitze, Produktions- und Forschungsstätten.

Auch skandinavische Länder wollen die EMA

Allerdings scheint auch bei skandinavischen Ländern wie Schweden und Dänemark, bei denen die Arzneimittelpolitik einen hohen Stellenwert genießt, Interesse zu bestehen, die EMA zu gewinnen.

Unterdessen wird in London offenkundig auf Zeit gespielt. Solange die Regierung, basierend auf einer Abstimmung des Parlaments, nicht offiziell den Austritt aus der EU erklärt, passiert gar nichts.

Offenbar schwebt den Briten vor, als Ersatz für die Mitgliedschaft in einem neu zu vereinbarenden bilateralen Vertrag alle Vorteile der EU-Mitgliedschaft zu sichern - etwa die Freizügigkeit von Waren und Dienstleistungen -, ohne die Pflichten eines Mitglieds zu haben.

UK will Kirschen picken, hat aber zukünftig kein Mitspracherecht mehr

Bei innovativen Arzneimitteln liegt der Vorteil der EU-Mitgliedschaft auf der Hand: Die zentrale Zulassung gewährt den Markzutritt zu allen EU-Ländern.

Nach einem erfolgten Austritt würde eine EU-Zulassung keine Geltung mehr für das Vereinigte Königreich haben, eine britische Zulassung wäre in Europa wertlos. Das bedeutet teure und zeitraubende Doppelarbeit. Gerade das zu vermeiden, müsste in den Modalitäten zum EU-Ausstieg neu verhandelt werden.

In einem Punkt täuschen britische Brexit-Befürworter dabei ihr Publikum: Die Wirkung ist weniger und nicht mehr Demokratie. Großbritannien wird nicht mehr in den politischen Organen der EU vertreten sein: in der Kommission, im Parlament und im Ministerrat. Also in jenen Institutionen, in denen die europäische Gesetzgebung entschieden wird.

Entscheidungen würden damit ohne die Briten getroffen. Wollen sie aber weiterhin von einem gemeinsamen Markt profitieren, dann müssen sie auch künftig die in der EU entschiedenen Spielregeln befolgen.

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Kommentare
Wolfgang P. Bayerl 29.06.201606:24 Uhr

da fragt man sich doch unwillkürlich

weshalb hat Deutschland ein Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mit rund 1100 Mitarbeitern, wenn die EMA 700 Mitarbeiter hat?

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